Wien - Österreichs Rugby-Nationalteam hat am Samstag im Europäischen Nationencup sein Heimspiel gegen Slowenien mit 16:17 verloren. Nicht nur denkbar knapp war das, auf der Hohen Warte zu Wien, sondern ebenso ärgerlich. Die vom Neuseeländer Lofty Stevenson angeleiteten Österreicher hatten das Geschehen nämlich über weite Strecken unter Kontrolle. Zur Pause lag man mit 13:0 voran, beherrschte die eigentlich etwas höher eingeschätzten Gäste deutlich. Diese waren über die gesamte Spielzeit einem Rückstand nachgelaufen, ehe sie in der letzten Aktion des Matches mit einem, dann allerdings sehr kaltblütig erzwungenen, Try noch alles zu ihren Gunsten auf den Kopf stellten.

Die Gelegenheit dazu hatten ihnen die Österreicher mit einer unglücklichen taktischen Entscheidung selbst erst ermöglicht. In guter Position - bei einem Zwischenstand von 13:12 - hatte man sich dazu entschlossen, auf relativ sichere drei Punkte aus einem Penalty-Kick zu setzen, anstatt das Spiel weiterlaufen zu lassen und einen weiteren Try anzustreben. Im Erfolgsfall wäre ein solcher fünf, samt Erhöhung gar sieben Punkte wert gewesen. So aber lag Österreich zwei Minuten vor Ablauf der regulären Spielzeit nun zwar mit 16:12 voran, Slowenien aber hatte Ballbesitz und eine letzte Chance.

Dass es soweit kommen konnte, war eigentlich nicht absehbar gewesen. Österreichs XV hatte gut begonnen, schon in der 5. Minute schob man den Gegner mit ordentlichem Drive zurück und sich selbst schließlich zum ersten Versucht. Das Teamwork klappte, man dominierte im Breakdown, wo es gilt den Ball für das eigene Team zu gewinnen und hernach dessen Besitz abzusichern. Immer wieder gelang es dem aggressiv nach vorne gehenden österreichischen Paket, dem Maul, Slowenien in die Defensive zu zwingen. So gelang wichtiger Geländegewinn, die erste Halbzeit spielte sich fast ausschließlich in der slowenischen Spielhälfte ab. Wunderbar gelungen: der zweite Versuch durch Milan Sabo. Ein clever eingesetzter hoher Kick, Garryowen genannt (auf ballesterisch: Kerze), hatte die slowenischen Verteidigungslinien dem falschen Fuß überantwortet, Sabo von Österreichs Meister Donau Wien aber wurde der Weg über die Linie geebnet.

Lektion 1: Das Maul.
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Nach dem Seitenwechsel sah sich Österreich rasch in kritischer Lage, konnte sich aber durch einen Ballgewinn bei slowenischem Lineout befreien - ein Omen, hätte man es zu deuten gewusst. Die Gäste verschärften nun sichtlich die Anstrengungen, immer noch hatte man nicht angeschrieben. Das änderte sich in der 50. Minute, als durch flotte Spielverlagerung auf die rechte Seite Österreichs Defensive derart überdehnt wurde, dass Dragan Jovanovic locker den ersten Try der Nachbarn legen konnte.

Nun hieß es aus österreichischer Sicht, rasch die Initiative wiederzuerlangen - aber das gelang nur mittelprächtig. Slowenien konnte das Match nun offen gestalten und profitierte in der 65. Minute von einer Unkonzentriertheit der Österreicher: nach einem Scrum hatte keiner ein Auge auf Max Skofic, der sich also über die Linie stehlen konnte, ehe die Verteidiger wussen, was es gespielt hatte. Auch die Conversion gelang, Slowenien war auf 13:12 herangekommen. Das finale Drama konnte sich entfalten.

Nun ist Slowenien beilebe kein Jausengegner. Rugby hat im post-jugoslawischen Raum eine deutlich längere Tradition als hierzulande. Bereits in den 1950er Jahre wurde eine Meisterschaft etabliert, ein jugoslawisches Nationalteam mit halbwegs regelmäßigem Spielbetrieb gab es seit den späten 1960er Jahren. Im Vergleich zu Österreich bedeutet das einen Vorsprung von etwa 30 Jahren, auch wenn nach der gewalttätigen Auflösung des Staates vielerorts die Strukturen erst wieder neu aufgebaut werden mussten.

RK Ljubljana nimmt, genauso wie der Stadrivale Olimpija, an der österreichischen Meisterschaft teil, und führt diese derzeit ungeschlagen an. In der Rangliste des Welt-Rugbyverbandes wird Slowenien auf Platz 73 geführt, Österreich folgt auf dem 79. Rang. Laibach stellt auch den Löwenanteil des Teamkaders, den Rest erledigt die beinahe legendäre Familie Skofic. Gleich fünf der anglo-slowenischen Brüder (Max, Archie, George, Frenk, Jack) stehen in der nationalen Stammformation, das ist schlicht Weltrekord. Nach Wien waren allerdings nur drei Skofics angereist.

Eingespieltheit ist also ein Trumpf der Encijani, Österreichs Steinböcken geht diese eher ab. Das Team befindet sich im Umbruch, einige der stärksten Spieler stehen derzeit nicht zur Verfügung. Die Freydell-Brüder, Max Navas und Michael Kerschbaumer studieren in Südafrika, May Freydell wurde dort gar in die renommierte Kaderschmiede Sharks Academy aufgenommen - für Rugby-Österreich eine Ehre, für das Nationalteam ein Problem.

Nach der dritten Niederlage in Serie (auch gegen Luxemburg und Serbien hatte man den Kürzeren gezogen), rutscht Österreich in der Division 2C des Nationencups auf den vorletzten Platz ab. Vielleicht kein Fehler, dass nun die Sommerpause anbricht. Die Rückrunde des Bewerbs startet im Oktober. (Michael Robausch - derStandard.at - 25.4. 2015)

Ergebnis, ENC C2: Österreich - Slowenien 16:17

Slowenischer Jubelkreis auf der sonnendurchtränkten Hohen Warte.
Foto: robausch