London - Paula Radcliffe bestreitet am Sonntag beim Marathon in London ihr letztes großes Rennen. "Es wird sicher sehr emotional", sagte die 41-jährige Britin, die in London 2003 den noch bis heute gültigen Marathon-Weltrekord von 2:15:25 Stunden lief. Radcliffe war der herausragende Langstreckenstar zu Beginn des 21. Jahrhunderts. Den London-Marathon gewann Radcliffe ebenso dreimal (2002, 2003, 2005) wie jenen in New York (2004, 2007, 2008). 2005 holte sie den WM-Titel im Marathon, 2002 jenen über 10.000 Meter. Dabei leidet sie seit ihrer Jugend an Blutarmut und Asthma.

2003: Marathon-Weltrekord in 2:15:25 Stunden.
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Am Sonntag werden Radcliffe noch einmal ihre Eltern, ihr Mann Gary, die Kinder Isla und Raphael sowie tausende Fans zujubeln. Dann ist Schluss, nach 20 Jahren Quälerei kann der Körper nicht mehr. Nach einer langwierigen Fußverletzung hat sie sich noch einmal zurückgekämpft. "Ich bin dankbar für die Chance, heuer zurückzukehren. Ich bin nicht konkurrenzfähig, aber noch einmal teilzunehmen, ist etwas ganz Besonderes", sagte Radcliffe. "Ich will es einfach genießen", beschreibt sie ihre Erwartungen vom Schlussakkord ihrer beeindruckenden Karriere. Radcliffe wird diesmal mit der Masse der Läufer ins Rennen gehen und nicht im gesonderten Elitefeld der Frauen vornewegziehen.

Radcliffe ist in ihrem Heimatland längst eine Legende, Mitglied der Hall of Fame und Trägerin des Verdienstordens "Order of the British Empire". Vielleicht flogen ihr auch deshalb die Herzen der Fans zu, weil sie mindestens ebenso oft aus Verzweiflung weinte wie vor Freude. Ihr Traum von Olympia-Gold endete wiederholt tragisch. 2004 in Athen, als große Favoritin, und vier Jahre später in Peking, den wichtigsten Läufen ihres Lebens, patzte sie.

In Athen musste Radcliffe aufgeben und saß wie ein Häufchen Elend am Straßenrand. 2008 war sie nach einer Stressfraktur im linken Oberschenkel noch nicht wieder fit und kam nur auf Rang 23. Vor London 2012 war sie erneut verletzt - unter Tränen verkündete sie ihren Verzicht auf die Spiele in ihrer Heimat.

Tiefschlag: Aus beim Olympia-Marathon 2004.
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Doch die Rückschläge steckte Radcliffe stets mit Stil weg, auch ihr entschiedenes Eintreten im Kampf gegen Doping brachte ihr viele Sympathien ein. Nach mehreren Operationen und ständigen Problemen mit dem Fuß hat Radcliffe nun ihren Frieden mit dem Ehrgeiz gemacht, sie muss nicht mehr immer nur gewinnen. Das habe ihr auch Tochter Isla klar gemacht. "Ich habe einen Punkt erreicht, an dem ich mich auf das Leben danach freue", sagt die Frau mit dem unnachahmlichen Stil.

Bei den Männern kommt es in London zum von den Organisatoren als "clash of the champions" ausgerufenen Duell zwischen Weltrekordler Dennis Kimetto (2:02:57 Stunden) und seinem Vorgänger Wilson Kipsang, der zugleich seit dem Vorjahr mit 2:04:29 Streckenrekordhalter in der britischen Hauptstadt ist. Er peilt seinen dritten Sieg nach 2012 und 2014 an, während Kimetto sein Debüt in London gibt.

Ebenfalls am Start ist Emmanuel Mutai, der beim Weltrekordlauf von Kimetto in vergangenen September in Berlin in 2:03:13 Zweiter wurde. Mit Stanley Biwott ist auch der London-Zweite von 2014 mit dabei. Insgesamt sind fünf Athleten aus den Allzeit. Topten im Weltklassefeld vertreten. (sid/red - 24.4. 2015)