Tschetscheniens Oberhaupt Ramsan Kadyrow geht in den Clinch mit dem föderalen Machtzentrum in Moskau: Bei einer Sitzung der tschetschenischen Sicherheitskräfte beklagte er einen tödlichen Sondereinsatz der Polizei aus der Nachbarregion Stawropol in seinem Machtbereich. Ohne Erlaubnis aus Grosny dürfe kein Polizist in Tschetschenien handeln, forderte er: "Taucht auf Eurem Gebiet ein Moskauer oder Stawropoler auf, so schießt auf ihn."

Der Schießbefehl gegen russische Sicherheitskräfte rief eine heftige Reaktion hervor. Der Politologe Anton Orech bewertete die Aussage als Kampfansage an Moskau. Kadyrow demonstriere, dass er in Tschetschenien die alleinige Macht habe und sich von niemandem, auch nicht vom Kreml, hereinreden lasse, sagte er.

"Infanterist Putins"

Einen Tag darauf ruderte Kadyrow ein Stück zurück. Er stelle sich keineswegs in Opposition zu Wladimir Putin, dessen "Infanterist" er sei. Er werde jeden Befehl Putins ausführen und auf dessen Wunsch auch zurücktreten, versicherte der Tschetschenenführer.

Zugleich übte er sich im Schlagabtausch mit dem russischen Innenministerium, das den von Kadyrow erteilten Schießbefehl gegenüber Kollegen als "unzulässig" kritisierte, indem er dem Ministerium seinerseits die "Entstellung von Tatsachen" vorwarf.

Der Vorfall ist hochbrisant, da einer der mutmaßlich in den Mordfall Boris Nemzow verwickelten Akteure in Tschetschenien untergetaucht sein soll. Moskauer Ermittlern ist es bis heute nicht gelungen, den Mann, den Verwandten eines tschetschenischen Senators, zu befragen. Medienangaben nach wird er im Heimatdorf von Kadyrows Cousin Adam Delimchanow von einheimischen Sicherheitskräften abgeschirmt.

(André Ballin aus Moskau, DER STANDARD, 25.4.2015)