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Predator-Drohne der USA: lautlos und vom Boden kaum zu sehen - und doch tödliche Waffe für mindestens 300 Zivilisten.

Foto: EPA

Warren Weinstein war die vergessene Geisel, so jedenfalls sieht es seine Familie. "Angesichts meines Alters und meines Gesundheitszustands habe ich die Zeit nicht auf meiner Seite", schrieb er vor knapp zwei Jahren, damals 71 Jahre alt, in einem Brief, den seine Entführer den Medien zuspielten. Im August 2011, vier Tage vor seiner geplanten Rückkehr nach Maryland, war er im pakistanischen Lahore gekidnappt worden. Er war ein Idealist, der das geordnete Leben eines Universitätsdozenten gegen das spannende eines Weltenbummlers eingetauscht hatte.

Für das Peace Corps und die Weltbank war Weinstein in Togo und Côte d' Ivoire, bevor ihn Usaid, die amerikanische Behörde für Entwicklungshilfe, nach Pakistan entsandte. Er vermochte sich schnell hineinzufinden in fremde Kulturen, erzählen ehemalige Kollegen. Weinstein habe Urdu gelernt, trotz seines jüdischen Glaubens im Ramadan gefastet und statt westlicher Kleidung den wallenden Shalwar Kameez getragen. "Diejenigen, die Warren vor über drei Jahren verschleppten, sind letztlich verantwortlich für seinen Tod", schrieb seine Frau Elaine in einem Statement. Sie wisse, dass die Regierung Barack Obamas eine unabhängige Untersuchung angeordnet habe - dem blicke sie mit Spannung entgegen.

Vieles weiter ungeklärt

Nach allem, was das Oval Office bisher über den Drohnenangriff preisgibt, nahm die CIA am 15. Januar ein Anwesen im pakistanischen Shawal-Tal ins Visier, weil es nach ihren Erkenntnissen Terroristen als Treffpunkt diente. Dass sich dort mit Weinstein und Giovanni Lo Porto, einem Italiener in Diensten der Welthungerhilfe, auch zwei westliche Geiseln befanden, habe der Geheimdienst nicht gewusst. Erst später, nachdem Satellitenaufnahmen studiert waren, sei klar geworden, dass neben den vier Leichen, mit denen man gerechnet hatte, zwei weitere aus den Trümmern geborgen und beigesetzt wurden. Als Obama, sichtlich zerknirscht, Donnerstag die Wahrheit öffentlich einräumte, brachte er eine Lawine von Fragen ins Rollen.

Das Mea culpa lasse vieles im Nebel, kritisiert Steve Coll, ein Pulitzer-Preisträger, der versucht, Licht ins Dunkel des Drohnenkriegs zu bringen. "Was genau ist an Fehlern gemacht worden?" "Wer wird dafür zur Verantwortung gezogen?" Nach den Worten Jameel Jaffers, eines Anwalts der Bürgerrechtsliga ACLU, rückt die Tragödie im Shawal-Tal ein akutes Problem der Drohnenstrategie in den Fokus. Zwischen dem, was das Weiße Haus über die Richtlinien für solche Angriffe sage, und den Richtlinien, nach denen tatsächlich gehandelt werde, klaffe eine "bemerkenswerte" Lücke.

Mindestens 300 tote Zivilisten

Begonnen hat es 2001, mit einer Attacke in Afghanistan. Von da an kamen sie zusehends in Mode, die unbemannten Leichtflugzeuge vom Typ Predator oder Reaper. Allein in Pakistan, dem Hauptschauplatz des ferngesteuerten Krieges, wurden bisher rund 400 solcher Schläge gezählt. Nach Schätzungen der New America Foundation, eines Thinktanks, kamen bei den Attacken bis dato 250 bis 300 Zivilisten ums Leben. Von chirurgisch präzisen Instrumenten, von gezieltem Töten mit "minimalen Kollateralschäden" könne keine Rede sein, fassten Studenten der New York University das Ergebnis von Recherchen zusammen.

Es war George W. Bush, der sechs Monate vor seinem Abschied aus dem Oval Office einer Empfehlung des damaligen CIA-Direktors Michael Hayden folgte und nach einer Phase relativer Zurückhaltung zur Drohnenoffensive in Pakistan blies. Obama übernahm die Strategie seines Vorgängers nicht nur, er vervielfachte die Zahl der Angriffe.

Wer Drohnen fernsteuern konnte, brauchte keine Truppen in Marsch zu setzen - der Gedanke gefiel ihm. Eine vor zwei Jahren verkündete Reform hat am Wesentlichen nichts geändert. Zu den kontroversesten Aspekten des Konzepts zählen sogenannte "signature strikes", die der Staatschef, anders als die "To kill"-Listen, nicht unterzeichnen muss. In solchen Fällen können CIA oder Pentagon schon eine Attacke anordnen, wenn sie auf dem Boden nur Verdächtiges beobachten. (Frank Herrmann aus Washington, DER STANDARD, 25.4.2015)