Die Kritik der Volksanwaltschaft an einem überproportional hohen Einsatz von sedierenden Medikamenten bei Pflegeheim-Patienten sorgt noch immer für Debatten. Während die Grünen von einer "Menschenrechtsverletzung" sprechen, warnt die Gewerkschaft vor pauschalen Anschuldigungen. Der Bundesverband der Alten- und Pflegeheime weist die Vorwürfe entschieden zurück.

"Absolut dramatisch"

Die Volksanwaltschaft hatte am Donnerstag Kritik daran geübt, dass in Österreichs Pflegeheimen überproportional oft sedierende Medikamente zum Einsatz kommen. Laut einer britischen Studie würden bei 74,6 Prozent der Patienten derartige Medikamente verwendet, in Deutschland aber nur bei 51,8 Prozent. Volksanwalt Günther Kräuter (SPÖ) hatte dies als aus "menschenrechtlicher Sicht absolut dramatisch" bezeichnet.

Die Grüne Gesundheitssprecherin Eva Mückstein bezeichnete die von Kräuter aufgezeigte Praxis in den Heimen am Donnerstag als "Menschenrechtsverletzung". "Wenn die Verabreichung von Psychopharmaka an Menschen, die sich in Langzeit-Institutionen wie Pflegeheimen befinden, ohne Indikation erfolgt und dazu dient, alte und pflegebedürftige Menschen ruhig zu stellen, handelt es sich um eine Freiheitsbeschränkung. Diese Menschenrechtsverletzung muss sofort beendet werden."

"Hochprofessionelle Betreuung"

Vor pauschalen Anschuldigungen oder Vorwürfen warnte hingegen die Gewerkschaft. Solche seien "absolut unangebracht", sagte der stellvertretende Vorsitzende der Gewerkschaft vida, Willibald Steinkellner, in einer Aussendung. "Die Beschäftigten im Pflegebereich betreuen die KlientInnen hoch professionell und mit großer Sensibilität."

Unabhängig davon sei eine Verbesserung der Arbeitsbedingungen im Pflegebereich jedoch dringend notwendig: "Wenn wir dem Personalmangel im Pflegesektor entgegenwirken wollen, müssen endlich die entsprechenden Rahmenbedingungen geschaffen werden. Mehr Geld für den Pflegebereich und eine höhere Entlohnung für die Beschäftigten sind unerlässlich."

Aufgabe der Medizin

Der Bundesverband der Alten- und Pflegeheime wies die Vorwürfe in einer Aussendung "in aller Entschiedenheit" zurück. "Medikamente dürfen lediglich auf ärztliche Anordnung hin verabreicht werden. Wenn in Österreich also zu viele Medikamente verabreicht werden sollten, so ist dies mit den Ärzten zu diskutieren", erklärte Markus Mattersberger, Präsident des Bundesverbandes "Lebenswelt Heim".

Es sei ein Faktum, dass rund 70 Prozent der Bewohner der Alten- und Pflegeheime unter einer kognitiven Störung leiden. Dass diese Krankheitsbilder entsprechend therapiert werden, sei Aufgabe der Medizin.

Auch die niederösterreichische Sozial-Landesrätin Barbara Schwarz (ÖVP) sah in der Kritik der Volksanwaltschaft eine "Pauschalverurteilung". Missstände bei "offenkundig festgestellten Einzelfällen" seien selbstverständlich abzulehnen und müssen behoben werden. Sie seien jedoch kein Grund, "tausende Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter samt der zuständigen Ärzteschaft in Misskredit zu bringen". (APA, derStandard.at, 24.4.2015)