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BND-Chef Gerhard Schindler sieht sich mit heftiger Kritik konfrontiert

Foto: Reuters/Rehle

Neue Enthüllungen erschüttern den deutschen Bundesnachrichtendienst (BND): Er soll auf Geheiß der NSA bis zu 40.000 Selektoren eingesetzt haben, die gegen westeuropäische oder deutsche Interessen verstoßen. Das berichtet der Spiegel unter Berufung auf Sitzungen des NSA-Untersuchungsausschusses im deutschen Bundestag. Bei Selektoren handelt es sich um Suchbegriffe, nach denen der Internet- oder Telefonverkehr aussortiert wird. Die 40.000 kritischen Selektoren sollen bei der Operation Eikonal zum Einsatz gekommen sein. Dabei kooperierten NSA und BND im Bereich der Internet- und Telefonüberwachung.

Ringtausch

Die Zusammenarbeit der zwei Geheimdienste steht im Fokus des NSA-Untersuchungsausschusses, der seit rund einem Jahr im deutschen Bundestag aktiv ist. Bislang musste der BND einräumen, rund 2.000 Suchbegriffe eingesetzt zu haben, die gegen eigene Interessen verstoßen. Dabei wurde etwa der Rüstungskonzern EADS, französische Behörden oder Eurocopter ausspioniert. Weitere Recherchen erhöhten die Zahl kritischer Selektoren nun auf 40.000. Vermutlich dürfte dies bei anderen europäischen Geheimdiensten ähnlich ablaufen, weshalb die NSA dafür sorgt, dass sich Agenten von EU-Diensten gegenseitig abhören und so grosso modo gegen EU-Interessen verstoßen.

Zum Rücktritt aufgefordert

Für den BND und dessen Chef Gerhard Schindler ergeben die Enthüllungen eine katastrophale Optik. Bislang hatte der Dienst laut Heise daran festgehalten, Selektoren "nicht einfach übernommen" zu haben und diese eingehend überprüft zu haben. Am Mittwochabend wurde der NSA-Ausschuss über die Erkenntnisse informiert, am Donnerstag sprach das Bundeskanzleramt bereits von "technischen und organisatorischen Defiziten" beim BND. Für Schindler könnte die Luft jetzt eng werden, ein Rücktritt steht im Raum. Denn entweder hat Schindler nichts von den Vorgängen gewusst – was zeigt, dass er keine Kontrolle über seine Agenten hat – oder Schindler hat die "NSA-Unterwanderung" (Heise) aktiv abgesegnet.

Gesetzesreform

Bundestagsabgeordnete der Linken haben nun eine Anzeige wegen Landesverrat gegen den BND-Chef angekündigt. Für den Grünpolitiker Hans-Christian Ströbele zeigt sich, dass alle Snowden-Enthüllungen nach und nach bestätigt würden. Der Bundestag plant nun als erstes Parlament weltweit, eine Regelung für die Überwachung von Ausländern zu finden. So soll eine Instrumentalisierung des BND gegen EU-Interessen verhindert werden. Bereits bei den letzten Sitzungen des NSA-Ausschusses war etwa die Frage nach der Überwachung österreichischer Staatsbürger thematisiert worden. (fsc, 24.4.2015)