Tracey Emin, "It’s Not the Way I Want to Die", 2005, (Altmetall und Bauholz, 310 x 860 x 405 cm).

Foto: Tracey Emin und White Cube, Bildrecht, Wien 2015

Wien - Das Modell einer desolaten Hochschaubahn, gebaut aus alten Holz- und Metallresten, ragt vor dem Besucher auf. So möchte ich nicht sterben nennt sich jenes Objekt der Künstlerin Tracey Emin, das einen derzeit im Leopold-Museum begrüßt. Es wurde von einem Traum inspiriert, in dem Emin bei einer Achterbahnfahrt hoch oben stecken blieb und sich einzig retten konnte, indem sie an einem Penis nach unten kletterte.

Es liegt nahe, an die Metapher von der "Hochschaubahn des Lebens" oder auch "der Gefühle" zu denken: weil man weiß, dass die Arbeiten der 1963 geborenen Britin aus dem Persönlichsten schöpfen. "Meine Arbeit ist ein ständiger Dialog mit mir selbst", heißt es auf einem Wandtext der Ausstellung Where I Want to Go. Das Schaffen von Kunst sei für sie ein kathartischer, ein reinigender Prozess, der ihr helfe, "emotional komplexe" Dinge zu verstehen.

Und weil sich Emin - nicht nur, aber auch - in dieser Hinsicht von Egon Schiele verstanden fühlt, ist ihre erste Personale in Wien keine ganz gewöhnliche, sondern ein Dialog mit dem exzentrischen Local Hero: Für Where I Want to Go kombinierte Tracey Emin eigene Zeichnungen, Objekte, Neonkunst mit Werken des Expressionisten. Der Installation So möchte ich nicht sterben fügte sie etwa Schieles Berg am Fluß bei, dessen schwarz-rote Silhouette jene der Achterbahn in Ölfarben imitiert.

Den größten Teil der Schau machen jedoch Körperdarstellungen aus: Man trifft etwa auf Liebesspiel-Akte Emins, die gemalt aussehen, sich dann aber als gestickt herausstellen - wobei das Textile der Schwärze eine außergewöhnliche Tiefe verleiht. In der Präsentation treffen diese großformatigen Arbeiten auf eine feingliedrige Zeichnung Schieles, in der ein kindliches Mädchen mit entblößter Scham ebenfalls mit schwarzem Textil hantiert.

Trotz aller nackten Körper, aller malerischen oder skulpturalen Sinnlichkeit will Tracey Emin ihre Kunst im Übrigen nicht als erotisch verstanden wissen - ebenso wenig wie jene Egon Schieles. Vielmehr gehe es ihnen beiden um Natur. "Mein Körper ist Natur", so erklärt man diesen Gedanken körperlicher Landschaft.

Dass sich Emin von den Erotika distanziert, hat auch damit zu tun, dass sie ein Klischeebild von sich aufzubrechen hat. Immerhin kennt man die Bekenntniskünstlerin nicht zuletzt für ihr Objekt My Bed: Ungemacht und übersät mit Tschickstummeln, blutigen Unterhosen, Kondomen, sorgte das Bett, das Emin mit einer Menge Liebhaber geteilt haben will, 1999 für große Aufregung.

Und so gibt es jetzt also Gelegenheit, eine andere Tracey Emin kennenzulernen, eine Künstlerin der Zwischentöne. Die Intimität, mit der Besucher in Where I want to Go konfrontiert werden, ist immer noch intensiv, aber ungleich geheimnisvoller. Immerhin besteht sie nicht zuletzt im zärtlichen Austausch Emins mit ihrem entfernten Verwandten Schiele.

Die Faszination erschließt sich indes oft erst dann, wenn die "Poetin" ihre Arbeiten kommentiert. Etwa die Plastik Grotto: Sie habe unzählige Male versucht, eine auf einem Penis sitzende Frau zu entwerfen, aber jedes Mal sei nur ebenjene einsame Frau in einer Höhle herausgekommen. (Roman Gerold, DER STANDARD, 24.4.2015)