Und sie fanden doch zueinander: Hubert von Goisern und seine Quetschn.

Foto: Constantin

Wien - Ein schöneres Erweckungserlebnis ist kaum je erzählt worden als jenes, das Hubert von Goisern mit seiner Ziehharmonika erlebte. Sie war ein Geschenk des Großvaters, sagt er in dem aktuellen Porträtfilm Brenna tuat's schon lang, aber er habe sie gleich ins Eck gestellt. Das Instrument der Ewiggestrigen spiele er "sicher nicht". Erst als er eines Tages viel Schnaps intus hatte, habe er die Quetschn wieder zur Hand genommen, und zwar mit der Absicht, sie zu zerreißen. Und nur dadurch habe er festgestellt, wie "geil" das Instrument klingt.

Man muss jetzt ganz kurz abschweifen in die Abgründe der heimatorientierten Musik. Und sich vorstellen - Hausnummer! -, Andreas Gabalier erzähle eine solche Geschichte: dass er ein Geschenk des Großvaters zerstören wollte. Er, der unter anderem deshalb ein rot-weiß kariertes Tuch zum Insigne machte, weil der Opapa mit einem solchen Tücherl dem Bub die Apferln geputzt hat. In einem Sommer wie damals!

Das Gedankenspiel, sich Österreichs Musikexport Nr. 1 an der Stelle von Hubert von Goisern vorzustellen, stellt einen erhellenderweise vor Paradoxa. In Brenna tuat's schon lang ist es aber übrigens die reinste Fleißaufgabe. Der Film zwingt einen nicht dazu, an Gabalier zu denken. Er hat es schon deshalb nicht nötig, sich abzugrenzen, weil er von einem richtigen Musiker erzählt. Einem, dessen Lieder man gar nicht unbedingt mögen muss, um ihn trotzdem wertzuschätzen. Einem, der abseits von Floskeln mit Herz und Hirn bei der Sache ist.

Schweiß auf der Quetschn

Gut, ein bisschen was sollte man Songs wie Hiatamadl oder Weit, weit weg natürlich schon abgewinnen können, wenn man sich in Marcus H. Rosenmüllers Film setzt. Denn freilich wird das Leben des 1952 als Hubert Achleitner geborenen Künstlers nicht zuletzt über seine "Neue Volksmusik" erzählt. Daneben gibt es allerdings auch viel Gelegenheit, dem klugen Kopf hinter dem Alpenrock zuzuhören, der sich in Songs wie Brenna tuat's guat in der jüngeren Vergangenheit gar ein wenig den Dialekt-Dada-Königen Attwenger annäherte.

Als Rahmen wählte Rosenmüller eine Angeltour auf dem Hallstätter See. Dort sagt von Goisern Dinge wie "Man ist schlecht aufgestellt, wenn man den Ist-Zustand nicht annimmt" oder auch "Das Leben ist eine Reise". Floskeln, meint man, wie auch über das gern gebrauchte Wort vom "Brückenschlagen zwischen den Kulturen". Dann belegt der Film allerdings glaubhaft, dass von Goisern nicht nur heiße Luft redet.

Und führt einen etwa nach Ägypten oder die Donau entlang ans Schwarze Meer: auf Konzertreisen, die der Musiker unternahm, da ihn der frühe Erfolg zu sehr eingeengt habe. Allerorten erfreuen sich dabei Zuhörer der lebensbejahenden Energie, die frei wird, wenn von Goisern die Harmonika wieder einmal - schweißgebadet - zu zerreißen versucht.

Man kann an Brenna tuat's schon lang Widersprüche vermissen, die der Mensch Hubert von Goisern sicher vertragen hätte: Thematisiert der Film zunächst Konflikte, in die der Musiker etwa mit seinem konservativen Heimatort im Salzkammergut geriet, so verliert sich die reflexive Ebene gegen Ende in immer längeren Konzertmitschnitten, die zwar schön sind, wenn es etwa zum Duett mit Konstantin Wecker kommt, aber auch ein bisschen schauderhaft, wenn Xavier Naidoo seinen Gastauftritt hat. (Roman Gerold, DER STANDARD, 24.4.2015)