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Die Rocky Mountains (hier im Bild ein Abschnitt im kanadischen Alberta) werden die Veränderungen ebenso zu spüren bekommen wie unsere Alpen.

Foto: APA/EPA/NICK DIDLICK

Portsmouth/Graz - Im Hochgebirge geht der Klimawandel viel schneller voran, als in tieferen Regionen. Dafür hat eine internationale Forschergruppe neue Anhaltspunkte in den Rocky Mountains, den asiatischen Bergregionen und den Alpen gefunden und mahnt mehr wissenschaftliche Beachtung des Hochgebirgsklimas ein.

Die Forscher kommen zum Schluss, dass die Szenarien der globalen Erwärmung regionale Besonderheiten zu wenig berücksichtigen. So steige u.a. in der gesamten Alpenregion die Durchschnittstemperatur etwa doppelt so schnell an wie im weltweiten Mittel. Im Hochgebirge sei dieser Effekt jedoch noch deutlicher auszumachen, wie die Wissenschafter unter der Schirmherrschaft der Mountain Research Initiative in der jüngsten Ausgabe des Fachmagazins "Nature Climate Change" schreiben.

Blinde Flecken

Allerdings sei die Zahl entsprechender Observatorien in diesen Höhenlagen gering und es bestehe die Gefahr, dass einige Regionen, die sich zurzeit am stärksten erwärmen, gar nicht beobachtet werden: "Bei vielen hochgelegenen Regionen über 4.000 Meter Seehöhe gibt es noch immer schwere Messlücken", so die Autoren. Und das, obwohl regionale Änderungen in den Hochgebirgsregionen Konsequenzen mit sich ziehen könnten, die weit über die spezifische Gebirgsregion hinausgehen.

Einer der Studienautoren ist Wolfgang Schöner von der Universität Graz. Er erhebt und analysiert am Observatorium Sonnblick in den Hohen Tauern seit Jahren Parameter, die für Klimaveränderungsprozesse verantwortlich sein können. Von keinem Punkt der Erde über 3.000 Metern Seehöhe besitze die Wissenschaft längere ununterbrochene Klimareihen, hieß es in einer Mitteilung der Uni Graz: Sie würden bis in die späten 1880er-Jahre zurückgehen.

Regionale Phänomene

Schönerer schließt sich der Expertenmeinung an, dass globale Klimamodelle den Blick für regionale Phänomene verschleiern: "Übers Jahr gesehen hat sich der alpine Raum nur geringfügig erwärmt. Allerdings verzeichnen wir im Frühjahr einen signifikanten Temperaturanstieg, der durch eine gegenteilige Entwicklung im Sommer wieder ausgeglichen wird", so ein Beispiel.

Solche Phänomene hätten durchaus Auswirkungen: Die früher eintretende Schneeschmelze beeinflusse den Wasserkreislauf, das Fehlen des Schnees und der Rückgang der Gletscher feuere den Temperaturanstieg zusätzlich an. Denn schwindende Schneeflächen verringern den Anteil der Sonnenstrahlung, der reflektiert wird, wodurch der Effekt der Klimakühlung geringer werde, so der Forscher.

Überregionale Folgen

"Die meisten aktuellen Vorhersagen basieren auf unvollständigen und suboptimalen Daten. Stimmen unsere neuen Annahmen, hat das gravierende soziale und wirtschaftliche Konsequenzen und wir müssen uns auf wesentlich dramatischere Veränderungen einstellen, als bisher angenommen", betonte Hauptautor Nick Pepin von der englischen Universität Portsmouth.

Die Verschiebung der Schneeschmelze könnte etwa in Asien zu längeren Trockenzeiten führen, was erhebliche überregionale Auswirkungen hätte. Am deutlichsten würde sich die Klimaveränderung jedoch zurzeit am Tibetanischen Plateau manifestieren: Dort betrage in einer Seehöhe über 4.000 Metern in den vergangenen zwei Jahrzehnten der Temperaturanstieg um beinahe 75 Prozent mehr als in Regionen unter 2.000 Metern. (APA, 23.4.2015)