Ein häufiger Grund für Rückenschmerzen: Mangelnde Bewegung und Stress im Privatleben oder am Arbeitsplatz.

Die Sache mit den Rückenschmerzen ist ein Kreuz: Ein Teil der Experten meint, Rückenschmerzen seien der Preis für den aufrechten Gang. Kritiker dieser These entgegnen, dass das Problem der Rückenschmerzen erst begonnen habe, als der Mensch sich hingesetzt hat, um nachzudenken.

Als sicher gilt: Mangelnde Bewegung schwächt die Muskeln, dazu kommt Stress im Privatleben oder am Arbeitsplatz. Die Rückenmuskeln verkrampfen und tun weh. Meist lässt sich das Problem durch Lockerung und Stärkung der Rückenmuskeln beheben. Doch bei jedem siebten Betroffenen gelingt dies nicht; selbst die Verabreichung von Opiaten hilft mitunter nicht mehr. Oft führt nur mehr eine Operation zur Besserung.

In schweren Fällen werden defekte Rückenwirbel oder Bandscheiben mit einer Metallkonstruktion überbrückt (intervertebrale Fusion). Das fixierte Segment verknöchert und kann zunächst keine Schmerzen mehr auslösen. Doch derartige Operationen bringen den Patienten in der Regel nur für wenige Jahre Linderung, dann tritt das Problem an den benachbarten Wirbeln erneut auf.

Skelett-Simulator

Die große Frage: Warum ist das so? Um zu verstehen, warum und wie schnell eine Bandscheibe verschleißt, müssen die Kräfte bekannt sein, die in diesem Bereich wirken. Dazu braucht es eine exakte Kenntnis der Form, der Elastizität und der Beweglichkeit der einzelnen Elemente.

Schweizer Maschinenbauingenieure von der Eidgenössische Materialprüfungs- und Forschungsanstalt (EMPA) nutzten nun in Kooperation mit der Stanford University ein Simulationsprogramm für den menschlichen Bewegungsapparat. Ziel war es, die Biomechanik in der Computersimulation möglichst genau abzubilden. Ihre Forschungsfragen lauteten: "Verhält sich eine Bandscheibe wie ein Kugelgelenk oder eher wie ein Gummilager?", "Welchen Einfluss haben die Muskeln dabei und bleibt das Gummilager immer gleich steif, oder verändert sich die Steifigkeit, abhängig vom Biegungswinkel?"

Den Wissenschaftlern gelang es nun mit Hilfe des Computermodells, die Mechanik nachzubilden. Das Ergebnis: Bei Menschen mit einer bestimmten Fehlstellung der Wirbelsäule sind die Bandscheiben schon im gesunden Zustand um bis zu 34 Prozent stärker belastet. Geht eine Bandscheibe kaputt und wird überbrückt, steigt die Belastung in den Nachbargelenken noch weiter an und kann bis zu 45 Prozent höher sein als beim Menschen ohne diese Fehlstellung.

Individuelle Therapie-Empfehlungen

Allein die Computeranalyse eines Gesundheitsproblems war den Forschern zu wenig. Erklärtes Ziel sollte sein, für jeden Patienten eine individuelle Diagnose zu stellen und die passende Therapie zu empfehlen. Forscher der University of Pittsburgh entwickelten deshalb ein 3-D-Röntgen-Videosystem (Digital Stereo-X-Ray Imaging - DSX). Damit kann die Bewegung der Wirbelsäule mit 250 Bildern pro Sekunde wiedergegeben werden, während die Position der Wirbel auf 0,2 Millimeter genau zu sehen ist. Der Trick dabei: Die unscharfen Röntgenbilder der Bewegung werden mit scharfen CT-Bildern des still liegenden Patienten im Computer kombiniert.

In einem ersten Schritt wurde nun von zwölf gesunden Menschen hochauflösende Filme ihrer Wirbelsäulenbewegung produziert - während sie Gewichte stemmten. Derzeit werden die aufgenommenen Röntgenfilme mit den Computermodellen des jeweiligen Probanden abgeglichen.

Anschließend wollen die Forscher mit dieser Methode die Problematik der Spondylodese (Wirbelkörperverblockung) untersuchen. Dazu werden Patienten vor und nach der Operation mit dem DSX-System gefilmt und die Bewegung ihrer Wirbel analysiert. So lässt sich bestimmen, welche Kräfte im Bereich der unteren Wirbelsäule vor der Operation gewirkt haben und was die Überbrückung der Wirbel an dieser Kräfteverteilung geändert hat.

Das Verfahren soll zukünftig helfen, den Verschleiß von Rückenwirbeln besser zu verstehen und die Ursache von Schmerzen im unteren Rückenbereich genauer zu lokalisieren. (red, derStandard.at, 23.4.2015)