Zur Mode ist Arthur Arbesser über die Oper gekommen: Die Begeisterung für Bühnenbild und Kostüme ging in der Begeisterung für Mode auf.

Foto: Arthur Arbesser

Arbesser möchte mit seiner Mode Geschichten erzählen: Die Herbstkollektion ist vom Wiener Fin de Siècle inspiriert (die obersten drei Outfits). Darunter die aktuelle Frühlingskollektion. Österreichische Händler haben die Kollektionen noch nicht im Sortiment. Online ist sie über "thecorner.com" zu beziehen.

Foto: Arthur Arbesser

Es ist halb zwölf am Mittag, in der Pasticceria Taveggia in Mailand sind die erbsengrünen Vorhänge ordentlich drapiert, dazu weiße Tischtücher, Kaffeetassengeklapper. Arthur Arbesser, zerstrubbeltes Haar, stolpert etwas verspätet aus dem Taxi. Gestern Abend wurde noch gefeiert. Dazu hatte er auch allen Grund.

Es ist Modewoche, gestern haben die Schwergewichte der Branche, Nicole Phelps von Style.com, das W-Magazine und Modekapazunder Suzy Menkes, seiner Präsentation im Salone dei Tessuti Galtrucco ihre Aufwartung gemacht. Dort zeigten Models mit geflochtenen Haarkränzen Arbessers neue Herbst-Winter-Kollektion. Inspiriert von Wien, ist daran ein bisschen die Hoffmann-Loos-Ausstellung schuld, die sich der Wiener über die Weihnachtstage im Museum für angewandte Kunst angeschaut hat: Historische Holzsessel der Wiener Werkstätte wurden aus Österreich eingeflogen, an den Wänden breite Nitsch-Schinken platziert, eine Freundin der Familie spielte Schubert am Klavier. Ein Schuss großbürgerliches Wien hing einen Nachmittag lang in dem Mailänder Präsentationsraum aus den Zwanzigern, irgendwann restauriert von dem befreundeten Architekten Luca Cipelletti.

Der hatte schon vor einem Jahr die Finger mit im Spiel. Damals elektrisierte Arbesser mit seiner Kollektion, eingepasst in Cipelletis extravagante Privatwohnung, ganz Mode-Mailand: Da war es endlich, das Nachwuchstalent, das es verstand, im eingerosteten Schauenkalender der Milano Moda Donna die Modemenschen mit einem Zuckerl aus Kunst, Design und Kleidern in eine abgelegene Wohnung zu locken.

Vergangenheit bei Armani

Heute Mittag zwischen den erbsengrünen Vorhängen fühlt sich das für Arbesser "irre lange her an". Warum? "Das letzte Jahr war vollgepackt mit Herumlaufen und Weiterkämpfen." Und die sieben Jahre zuvor bei Armani? Aus heutiger Perspektive war das ein Kurzstreckenprogramm. Der gebürtige Wiener (Matura am Schottengymnasium, Bundesheer in der Maria-Theresien-Kaserne, Modedesignstudium am renommierten Central Saint Martins College in London) arbeitete als Designer bei Armani, bevor er sich Ende 2012 selbstständig machte. Die Arbeit für das eigene Label sei etwas völlig anderes als die zuvor, die geregelte Montag-bis-Freitag-Woche bei vollem Konto, sagt er heute. Doch dass es für Designer wie ihn von Anfang an ums Produkt und ums Verkaufen gehen soll, ganz so, wie es in Italien schon an den Ausbildungsstätten vermittelt wird, das will Arbesser für sich noch nicht geltend machen. "Zu Beginn ist doch das Schöne, machen zu können, was man will. Wichtig ist, die eigene Stimme zu finden, mit etwas Besonderem hervorzustechen."

Das habe er erst mit zunehmendem Abstand zum Armani-Business gelernt. "Anfangs hatte ich noch Merchandising-Pläne im Kopf. Jetzt schwimme ich in die andere Richtung." Statt "das nächste sexy Abendkleid" zu entwerfen, will Arbesser mit seiner Mode "Geschichten oder etwas Persönliches erzählen". Tatsächlich kann er zu seiner Herbstkollektion, zu den Mänteln mit Matrosenkragen, zu dem Anzug mit den goldenen Nadelstreifen und dem orangeroten Casentino-Wollstoff gleich eine Handvoll Anekdoten aus dem Ärmel schütteln. Zum Beispiel, dass die Zeit beim Bundesheer der Grund für seine Schwäche für uniforminspirierte Stücke ist. Oder dass der feste graue Loden, den er verwendet hat, in einem Tiroler Familienbetrieb handgefertigt wurde. Und nicht zuletzt, dass die goldenen Lurexfäden eines Strickpullovers das Strohgitter der Thonetstühle in wabenförmige Muster übersetzen.

Hergestellt wurden die Strickteile im Veneto in den Bergen, in einem Betrieb, der auch für Givenchy und Ferragamo fertigt. "Das Tolle ist, dass es in Italien Orte gibt, an denen Leute noch mit Hingabe und Passion arbeiten. Leute, die interessiert daran sind, einen jungen Designer zu unterstützen. Die verdienen ja nicht viel mit mir."

Internationaler Fokus

Bei aller Verbundenheit mit Mailand, Italien und seinen Zulieferbetrieben hat sich Arbesser allerdings von Beginn an bemüht, sein Label international auszurichten: "Die Uncoolness von Mailand hat mir einen Kick gegeben." Und gleichzeitig motiviert, denn "Mailand ist eine Arbeitsstadt". Mittlerweile ist der österreichische Designer hier bestens vernetzt: "Wir sind eine Menge Freunde, Maler, Galeristen, Kuratoren, die sich gegenseitig helfen." Die Arbeit der letzten Jahre scheint sich auszuzahlen. Nicht nur die italienischen Modemedien haben den Designer, der ein Talent fürs leichtfüßige Kontakteknüpfen hat, zu ihrem Aushängeschild erkoren. Auch Paris wurde auf ihn aufmerksam.

Arbesser hat es aus rund 1000 Bewerbern ins Finale um den mit 300.000 Euro dotierten prestigeträchtigen LVMH-Preis geschafft (als einer von acht). Und freut sich erst einmal über die Bestätigung innerhalb dieses "intelligent organisierten, fairen Wettbewerbs". Denn das Halbfinale in der französischen Hauptstadt, erzählt er später am Telefon, das sei "extrem aufregend" gewesen. Und auch wenn die in Frankreich gut vernetzte Konkurrenz "das Selbstbewusstsein zwischendurch schrumpfen lassen hat", lief alles glatt. "Zwei Tage lang kam laufend irgendein Mega-Tier aus der Branche im Showroom vorbei", am besten habe er sich mit Jurymitglied Cathy Horyn, der ehemaligen Modekritikerin der New York Times, verstanden.

Zeit, sich über das Finale am 22. Mai und die prominente Jury, bestehend aus den Kreativdirektoren der LVMH-Marken, den Kopf zu zerbrechen, hat Arbesser allerdings nicht. Im Juni ist er Gastdesigner der Modemesse Pitti in Florenz, bis dahin müssen dreißig Outfits stehen. Jetzt heißt es recherchieren, Skizzen machen, produzieren.

Denn auch wenn Arbesser eben noch zwischen den erbsengrünen Vorhängen erklärt hat, "aus reiner Romantik" Mode zu machen, ein langsames Wachstum das Beste für sein "One and a half"-Unternehmen sei und seine Kleider nicht morgen bei Barneys hängen müssten: Er bringt die besten Voraussetzungen mit, es mit diesem Business aufnehmen zu können. (Anne Feldkamp, Rondo, DER STANDARD, 28.4.2015)