STANDARD: Haben Sie schon einmal Hendln, ehe sie auf Ihrem Teller landeten, den Kragen umgedreht?

Lampert: Als kleiner Bub hab ich mitbekommen, wie mein Nachbar den Hühnern mit einem Beil auf dem Hackklotz die Köpfe abschlug und diese dann durch die Gegend flogen. Sobald er zur Tat schritt, zog das die Kinder magisch an. Ich habe es einmal gesehen, das war genug. Ich war damals zu Hause selbst für die Hühner verantwortlich. Ich habe mein ganzes Leben lang kein einziges Huhn gegessen und daher auch nie geschlachtet.

STANDARD: Sie haben zwei Biomarken aufgebaut, die auch Fleisch vermarkten, und Sie sind noch nie einem knusprigen Flügerl erlegen?

Lampert: Noch nie im Leben.

STANDARD: Mit Biofleisch wird man nicht reich. Der Bioanteil ist nach wie vor winzig, bei Schweinernem liegt er bei unter einem Prozent ...

Lampert: Bei Hühnern funktioniert es. Ansonsten aber sind die Leute kaum bereit, dafür mehr zu zahlen. Offenbar ist der Qualitätsunterschied für sie nicht so erlebbar. Wir haben es fast ein ganzes Jahr lang mit Schweinefleisch versucht. Der Erfolg blieb aus.

STANDARD: Weil konventionelles Schnitzelfleisch oft billiger ist als Katzenfutter?

Lampert: Das ist Wahnsinn, ein gesellschaftspolitisches Problem.

"Als ich begann, war Bio etwas Sektiererisches."
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STANDARD: Seit Hofer Backshops betreibt, bricht dort Ihr Absatz von Biobrot stark ein.

Lampert: Ich habe das nicht erwartet, aber es ist exakt so, wie Sie sagen. Da liegt harte Arbeit vor uns.

STANDARD: Sie haben einst von einem Anteil an Biolebensmitteln in Österreich von bis zu 40 Prozent geträumt. Heute liegt er bei lediglich zehn Prozent. Sind Sie enttäuscht?

Lampert: Ich habe mit mehr gerechnet. Es gab einst Studien, wo von 40, 50 Prozent bioaffinen Konsumenten die Rede war. Aber als ich begann, lag der Anteil bei 0,02 Prozent. Bio war etwas Sektiererisches. Heute gibt es kaum Österreicher, die es nie kauften. Bei Bioflächen beträgt der Anteil 20 Prozent - eine Erfolgsgeschichte.

STANDARD: Der Anteil an Biobauern stagniert doch seit vielen Jahren.

Lampert: Bauern in der Gunstlage kommen darauf, dass sie keine Förderung brauchen, keine Rücksicht auf die Umwelt nehmen müssen, wenn sie mit billigem Futtermittel auf Leistung gehen. Sie haben ein gewaltiges unlösbares Gülleproblem, aber sie kommen mit konventionellen Preisen gut zurande. Sie sind spekulative Unternehmer geworden. Das ist die Ablösung von regionaler Produktion.

STANDARD: Sie verteufeln industrielle Landwirtschaft. Aber ist Bio mittlerweile nicht selbst gleichen Marktmechanismen unterworfen?

Lampert: Wo zum Beispiel?

"Erdäpfel aus der Wüste verteufle ich seit zehn Jahren."
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STANDARD: Nehmen Sie den Erdäpfelanbau in der ägyptischen Wüste. Oder die Fleischproduktion: Massentierhaltung bleibt vielfach Massentierhaltung, ob nun bio oder nicht.

Lampert: Erdäpfel aus der Wüste verteufle ich seit zehn Jahren. Der Begriff Industrialisierung ist im Biolandbau dennoch nicht angemessen. Es wird teilweise massiv auf Leistung gegangen, aber Vorgaben und Kontrollen bremsen stark ein. Ein Thema der kommenden zehn Jahre ist Tierschutz: Die Gesellschaft wird sich mit dem Umgang mit Tieren auseinandersetzen.

STANDARD: Retten Veganer die Welt?

Lampert: Nein, und das wissen sie. Aber es ist ein Statement.

STANDARD: Fast ganz Asien produziert Bio bereits im großen Stil. Wie glaubwürdig ist das Ganze noch?

Lampert: Irgendwann fand man es sexy, dass Bio ein weltweites Dorf ist, dass man es von überall herkarren kann. Aber das sind 60er-Jahre-Ideen, völlig vorbei an der Gesellschaft. Die Jungen gehen da heute nicht mehr mit. Bio wird sich inhaltlich neu positionieren müssen. Ohne Regionalität, Nachhaltigkeit hat Bio keinen Sinn.

STANDARD: Sie sind selbst viel in Rumänien unterwegs, hört man.

Lampert: Wir haben für Rumänien und Griechenland landwirtschaftliche Konzepte erstellt.

"Warum ich nicht selbst Biobauer geworden bin, frage ich mich täglich aufs Neue."
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STANDARD: Warum wurden Sie eigentlich nicht selbst Biobauer?

Lampert: Das frage ich mich täglich aufs Neue. Einmal im Monat frage ich einen Bekannten, ob eine kleine Landwirtschaft zu haben sei. Aber die Tür ist zu, sagt er.

STANDARD: Wollten Sie nicht einmal eine ganze Herde schwarzer Pinzgauer Rinder kaufen?

Lampert: Das scheiterte an der vielen Arbeit in meinem Leben.

STANDARD: Vielleicht eh richtig entschieden jetzt, wo die Quotenregelung ausgelaufen ist und Europa neue Butterberge und Milchseen drohen ...

Lampert: Rückblickend war es keine richtige Entscheidung. Aber zu den Quoten: Bei Milch gibt es keine regionalen Bezüge, keine staatlichen, nicht einmal europäische. Kein Molkereidirektor macht irgendwelche Preise. Die werden in China gemacht, Neuseeland, Australien. Saugen sie Milchpulver ab, steigt der Preis. Durch den Fall der Quote werden Bauern in Gunstlagen auf Leistung und Protein bezogen arbeiten. Früher brauchten sie zehn Jahre, um den Stalldurchschnitt um 1000 Kilo zu erhöhen, ihre Kinder tun es in weniger als einem Jahr. Bergbauern haben keine Chance, da mitzumachen, aber sie erzeugen völlig andere Produkte. Seit langem sehe ich die Zukunft bei ihnen, jetzt ist es so weit.

STANDARD: Sie haben den Umgang mit Tieren angesprochen. Warum gibt es nicht auch Standards für faire Arbeitsbedingungen, für Erntehelfer etwa? Klagen über Dumpinglöhne reißen nicht ab.

Lampert: Da ist nichts mehr zu holen. Die österreichische Gesetzgebung, die auch für Saisonarbeiter gilt, ist fair. Da wird ordentlich bezahlt. Anfang der 1990er-Jahre gab es wilde Verhältnisse. Heute kenne ich keinen, der hier Schwarzarbeiter beschäftigt. Im Burgenland etwa wird scharf kontrolliert.

STANDARD: Sie lehnen das Freihandelsabkommen TTIP ab. Ist diese Schlacht für Sie noch zu gewinnen?

Lampert: Die Entmündigung nationaler Regierungen ist in Europa nicht umsetzbar. TTIP wird scheitern, gelingt es nicht, sich von radikal industrialisierter Landwirtschaft abzugrenzen. Auch wenn TTIP kommt: Es wird langanhaltenden Widerstand geben. Erstmals können sich nationale Politiker nicht mehr an Brüssel abputzen, sondern werden zur Verantwortung gezogen. Schauen Sie sich die Position der Rechten an: Es wird gefährlich für die europäische Idee. Fährt man drüber, ist das die Morgenröte der rechten Politik. (Verena Kainrath, DER STANDARD, 22.4.2015)