Wann den Griechen das Geld ausgeht, ist ungewiss - im Mai, erst im Sommer, aber jedenfalls bald. Die linksradikale/ rechtsnationale Regierung zeigt jedoch keine Lust, sich auf ein wirkliches Reformprogramm, auch nur auf die Ankündigung eines solchen, einzulassen.

Dieses Verhalten ist nur jenen rätselhaft, die griechische Verhältnisse nicht kennen. Die Syriza-Regierung hat null Regierungserfahrung, aber eine ideologisch hochmotivierte Basis, die nicht durch unbequeme Realitäten gestört werden will. Dem linksextremen Teil des Syriza-Spektrums wäre ein Staatsbankrott mit "Grexit", eventuell auch Austritt aus der EU ganz recht.

Alexis Tsipras und andere in der zweiten Reihe der Syriza-Truppe dürften hingegen ein kühnes Hasardspiel abziehen: Sie haben nicht vor, Griechenland durch irgendwelche langweiligen und, Gott behüte, "neoliberalen" Reformen wieder halbwegs fit zu machen. Sie möchten, Linkspopulisten, die sie sind, die Politik der staatlichen Geldverteilung aufrechterhalten. Um die dazu notwendige Kohle zu bekommen, möchten sie die geopolitische Position Griechenlands verkaufen.

Das Land hat eine geostrategische Position auf dem Balkan mit Nachbarn wie Serbien oder Bulgarien. Putin wartet darauf, hier einen Keil in die EU hineinzutreiben. Außerdem ist Griechenland Nachbar des zusehends abdriftenden Nato-Staates Türkei und etwas entfernterer Nachbar des brennenden Nahen Ostens. Flüchtlingsproblem inklusive.

Tsipras möchte sich nicht an die Russen verkaufen, obwohl er angeblich einen Pipeline-Deal mit Putin abgeschlossen hat. Er will nur die EU und die USA (via IWF) dazu bringen, den griechischen Staatshaushalt zu finanzieren - mit der Drohung, ins Moskauer Lager abzugleiten.

Diese Politik ist nicht neu. Im Grunde existiert sie seit der Staatsgründung im frühen 19. Jahrhundert. Der griechische Freiheitskampf wäre nicht erfolgreich gewesen, hätten die britische, französische und russische Flotte nicht die türkische vernichtet. Das Eingreifen der Großmächte war Teil von deren Mittelmeerstrategie. Es folgten ausländische Kredite, Staatsbankrott, Kredite ...

Im Ersten Weltkrieg war Griechenland Verbündeter der Briten, Russen und Franzosen, das wurde honoriert. Nach dem Zweiten Weltkrieg und dem Bürgerkrieg, bei dem das Land fast kommunistisch geworden wäre, übernahmen die USA die Rolle als Zahler, nach dem Beitritt die EU.

Griechenland ist es gewohnt, auf Dauer vom Ausland alimentiert zu werden. Das werden andere Länder von einer gewissen Bedeutung auch, und das ist in Grenzen vertretbar. Auch Österreich hatte zwischen 1945 und 1989 strategische Bedeutung, für den Westen wie den Osten. Die Amerikaner finanzierten den enorm wichtigen Marshallplan, die Russen kauften später ganze Voest-Stahlwerke, auch damit Österreich schön neutral blieb.

Etwas müssen die Griechen aber auch selbst tun (so wie die Österreicher mit dem Marshallplan) und danach sieht es bei dieser Regierung derzeit nicht aus. Deswegen ist ein "Grexident" möglich. (Hans Rauscher, DER STANDARD, 22.4.2015)