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Im Erstausnahmezentrum Traiskirchen gebe es künftig die besten Betreuungsvoraussetzungen für alleinreisende Kinderflüchtlinge, meint das Innenministerium. Beim UNHCR zieht man das in Zweifel.

foto: apa/techt

Wien – In Kraft treten soll die Asylnovelle am ersten Juli, also schon in zweieinhalb Monaten. Die Zeit für Vorbereitungen bis dahin erscheint recht knapp bemessen: Mit der Gesetzesänderung, die heute, Dienstag, dem Ministerrat vorliegt, wird es zu einer tiefgreifenden Änderung des Aufnahmeprozederes für Flüchtlinge in Österreich kommen.

Die Verhandlungen zwischen Innenministerin Johanna Mikl-Leitner (ÖVP) und ihrem Schattenminister auf SPÖ-Seite, Verteidigungsminister Gerald Klug, hatten am Montag bis in die Abendstunden gedauert. Grund dafür: Einwände der Bundesländer gegen das geplante Regelwerk – allen voran massive Kritik aus dem Land Wien. Diese sollen nun "in der parlamentarischen Diskussion" erwogen werden, hieß es Montagabend.

Direkt in den Ländern

Konkret sollen Asylwerber – so entschieden wurde, dass ihr Antrag in Österreich behandelt wird, sie also in kein anderes EU-Land überstellt werden – ab Juli statt wie bisher in die Erstaufnahmezentren Traiskirchen und Thalham in Länder-Verteilerzentren kommen. Von dort aus sollen sie direkt in Länder-Grundversorgungsquartiere in Gasthöfen oder Heimen gebracht werden, derer es bekanntlich nicht übermäßig viele gibt.

Diese Unterkünfte müssen sie jedoch laut einer geplanten Änderung im Grundversorgungsgesetz, die Teil der Asylnovelle ist, unter Umständen bald wieder verlassen: dann, wenn ihr Asylantrag in erster Instanz abgelehnt wurde und ihrer Berufung gegen diese Entscheidung keine aufschiebende Wirkung zuerkannt wird, obwohl das Verfahren dann noch weitergeht.

Gröbere Befürchtungen

Ein solcher gesetzlich vorgesehener Quartierverlust lässt Peter Hacker, Geschäftsführer des Fonds Soziales Wien (FSW), im STANDARD-Gespräch Gröberes befürchten. Viele der negativ beschiedenen Asylwerber würden nach einer Ablehnung nicht einfach aus Österreich verschwinden, meint er. Sondern sie würden sich vielmehr, obdachlos geworden, dorthin wenden, wo sie noch am ehesten Unterstützung erwarten können: an die Sozialhilfeträger in größeren Städten, allen voran in Wien.

"Auf diese Weise die Grundversorgung zu entlasten bedeutet, eine wesentlich höhere Obdachlosigkeit in den Städten zu akzeptieren. Die Folgekosten für Notquartiere und das Gesundheitssystem sind enorm", kritisierte das Land Wien bereits in der Stellungnahme zum Fremdenrechtsänderungsgesetz, vulgo Asylnovelle, im Begutachtungsverfahren.

Gegen Grundversorgungsvereinbarung

Aus Tirol, Vorarlberg und Kärnten kamen ähnliche Einwände – und mehr noch: Die geplante Änderung widerspreche der von Bund und Ländern unterzeichneten Grundversorgungsvereinbarung aus dem Jahr 2004, laut der alle hilfs- und schutzbedürftigen Fremden unterzubringen sind, über deren Asylantrag noch nicht rechtskräftig entschieden wurde.

Neben besagten Bundesländern stellten im Begutachtungsverfahren auch Amnesty und das UN-Flüchtlingshochkommissariat UNHCR den neuen Grundversorgungsentzug infrage: Derlei werde der Verelendung von Flüchtlingen Vorschub leisten.

Kinder nach Traiskirchen

Beim UNHCR in Wien stößt sich Christoph Pinter, Leiter der Rechtsabteilung, aber auch an einer geplanten Änderung im Umgang mit unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen. Laut Gesetzentwurf sollen die jüngsten unter ihnen, die unter 14-Jährigen, also Unmündigen, nach ihrer Ersteinvernahme in den Ländern alle ins Erstaufnahmezentrum Traiskirchen gebracht werden. Pinter: "Diese Kinder gehören nicht in ein Lager, sondern sofort in die Obhut der Jugendhilfe."

Grüne werfen Regierung Zynismus vor

Die Grünen werfen der Regierung Zynismus in der Asylpolitik vor. Noch gestern seien Hunderte tote Flüchtlinge im Mittelmeer betrauert worden und schon heute mache die Regierung mit der "üblichen Flüchtlingsabwehrpolitik gnadenlos weiter", kritisierte Menschenrechtssprecherin Alev Korun in einer Aussendung das am Dienstag vorgelegte Fremdenrechtsgesetz.

Inhaltlich stört sie etwa, dass laut der Novelle nach einem negativen Bescheid die Grundversorgung entzogen werde, wenn das Bundesverwaltungsgericht nicht schnell genug und proaktiv ein Aufenthaltsrecht erteile: "Obwohl der Betroffene ein Berufungsrecht hat und das Asylverfahren weitergeht, wird er in so einem Fall also zum Obdachlosen." Das sei die konkrete Reaktion der Regierung auf die Toten im Mittelmeer: "Tote Schutzsuchende betrauern, lebende sekkieren", kritisiert Korun.

NEOS kritisieren "Betroffenheitsrhetorik"

NEOS-Chef Matthias Strolz hat am Dienstag im Zusammenhang mit der Flüchtlingstragödie im Mittelmeer die "Betroffenheitsrhetorik" der Politiker kritisiert. Die EU solle neun Mio. Euro pro Monat für das Lebensrettungsprogramm Mare Nostrum aufbringen - wenn man das morgen nicht mache, dann hätten diese Politiker "Blut an den Händen"

"Wir sind in diese Tragödie sehenden Auges hineingegangen", meinte Strolz. Die italienische Regierung habe in einem Jahr mit 9,3 Mio. Euro pro Monat 140.000 Menschen gerettet. Den 28 Regierungschefs der EU sei dies zu viel Geld gewesen, um die Rettungsaktion fortzusetzen, empörte sich Strolz. "Die Schuldigen sind hier die Regierungschefs." (Irene Birckner/APA, 21.4.2015)