Eine Schande sei es, was Europa da im Mittelmeer zulässt, sagt Kanzler Faymann, und praktisch alle Zeitungen (auch viele europäische) haben ebenfalls das Wort "Schande" im Titel. Das wohlhabende Europa tut zu wenig, um den Ertrinkungstod tausender Elendsflüchtlinge zu verhindern. Europa, das auch sonst einiges zu bewältigen hat, wird alle seine Kräfte aufbieten müssen, um diesen Zustand zu verbessern. "Lösen" kann man ihn nicht.

Alles, was jetzt vorgeschlagen wird, kann den Flüchtlingsstrom aus gescheiterten Staaten wie Syrien, Somalia, Eritrea, Schwarzafrika nicht abhalten. Auffanglager in Nordafrika? Ein Magnet für IS. Die Situation in den Herkunftsländern verbessern? Muss man Warlords und Diktatoren bestechen, damit sie niemand weglassen. Hunderttausende Flüchtlinge aufnehmen? Kann man gleich dem Front National, Geert Wilders und der FPÖ die Schlüssel zu den jeweiligen Regierungssitzen in die Hand drücken.

Man muss es trotzdem versuchen. Die Seepatrouillen verstärken, um mehr Schiffbrüchige zu retten. Die Schlepper verfolgen. Die Verteilung derer, die eher Anspruch auf Asyl haben, besser organisieren.

Aber es wird noch genug Unheil bleiben. Vorwürfe wie "Schande" sind dabei eher kontraproduktiv, weil sie Widerstand bei jenen erzeugen, die man für energische Hilfe gewinnen muss, nämlich die Völker Europas. (Hans Rauscher, DER STANDARD, 21.4.2015)