Angesichts der gerade wieder hochgekochten Diskussion um die Arbeitszeit von Lehrerinnen und Lehrern und angesichts dessen, was das im letzten Jahr beschlossene und 2019 in Kraft tretende neue Lehrerdienstrecht an Zumutungen mit sich bringen wird, mag die Kürzung von Prüfungsgebühren als Marginalie erscheinen. Vielleicht ist sie das auch, dennoch findet sie statt und geht in ihrer Bedeutung weit über die nackten Fakten hinaus. Denn: Halber Lohn für gleiche Arbeit bedeutet neben realen Einkommensverlusten in erster Linie Entwertung von Arbeit und zeitigt außerdem eine massive symbolische Abwertung der Arbeitenden. Worum geht es im Detail?
Anfang Mai findet die zentrale Reifeprüfung mit ihren standardisierten Prüfungsformaten erstmalig an allen Gymnasien Österreichs statt. Ebenso wie die Fächer Mathematik, Latein, Englisch oder Französisch (beziehungsweise die zweiten lebenden Fremdsprachen) betrifft dies auch das Fach Deutsch. Ebenso wie für Mathematik oder die Fremdsprachen heißt Standardisierung in Deutsch Vereinheitlichung. Was es für das Fach Deutsch aber nicht heißt, ist Arbeitserleichterung oder gar Zeitersparnis für die Korrigierenden. Sicher, nunmehr werden die Arbeitsaufgaben vom Bifie zusammengestellt. Die damit verbundene Zeitersparnis aber ist minimal, zumal sich auch den korrigierenden Lehrerinnen und Lehrer die ihnen unbekannten Aufgabenstellungen inklusive sämtlicher Textbeilagen ja erst einmal erschließen müssen.
In Deutsch bleibt vieles beim Alten
Während die Matura in den Fremdsprachen verschiedene Kompetenzen mittels Aufgaben überprüft, die durch Ankreuzen der richtigen Antwort oder Einfüllen von Einzelwörtern zu lösen sind, und das Schreiben von Texten nur mehr ein Viertel der Gesamtprüfung ausmacht, bleibt in Deutsch in formaler Hinsicht vieles beim Alten: Die Reifeprüfung in der Unterrichtssprache wird nach wie vor zur Gänze durch das Verfassen von Texten abgelegt. Zwar sind nun in den fünf zur Verfügung stehenden Stunden deutlich kürzere Texte zu schreiben, dafür muss jeder Maturant und jede Maturantin zwei Texte verfassen. In Summe bleibt die Textlänge somit fast gleich.
Dadurch aber, dass nach dem neuen Modell zwei voneinander unabhängige Texte geschrieben werden, erhöht sich der Korrektur- und Beurteilungsaufwand sogar tendenziell – schließlich muss jeder Text für sich bewertet werden. Das standardisierte Beurteilungsraster, das den Deutschlehrerinnen und -lehrern für die Korrektur zur Verfügung gestellt – beziehungsweise aufgezwungen – wird, bedeutet dabei noch eine zusätzliche Erschwernis, müssen doch nun zahlreiche sogenannte "Deskriptoren" herangezogen und auf ihren Erfüllungsgrad befragt werden. Alles in allem bedeutet die Korrektur einer Deutschmatura selbst für routinierte Lehrerinnen und Lehrer mindestens eine volle Stunde Arbeitszeit. Im Fall schwacher Leistungen, bei denen zwischen "Bestanden" und "Nicht bestanden" entschieden werden muss, deutlich mehr. Wer das nicht glaubt, ist herzlich eingeladen, sich einmal selbst an einer "Schülerperformanz" zu versuchen.
Prüfungsentgelte halbiert
Für die Korrektur der schriftlichen Matura stand bisher eine Prüfungsgebühr von 20,8 Euro pro Klausur zu. Wahrlich kein üppiger Betrag, aber eine halbwegs korrekte Abgeltung erbrachter Leistung. Nota bene: Lehrerinnen und Lehrer werden für Maturaklassen nur bis zum letzten Schultag, dem 30. April, bezahlt. Es gibt für die Zeit, in die die Matura fällt, also kein Grundgehalt. Fortan gilt für standardisierte Prüfungen der Satz von 11,6 Euro. Brutto. Das muss man sich auf der Zunge zergehen lassen: 11,6 Euro – quasi eine Halbierung des bisherigen Betrages für die gleiche Leistung.
Mir ist bewusst, dass sich in Österreich kaum jemand ernsthaft für die Arbeitsbelastung von Lehrerinnen und Lehrern interessiert. Faktum ist, dass insbesondere Deutschlehrerinnen und -lehrer in Oberstufenklassen nicht annähernd leistungs- und arbeitszeitgerecht entlohnt werden. Dass nun aber darüber hinaus Prüfungsentgelte einfach halbiert werden, ist eine himmelschreiende Ungerechtigkeit. Aber die halbe Nation glaubt offenbar immer noch, das Lehrpersonal würde fürs Nichtstun fürstlich entlohnt. Wie absurd kann berufliche Realität eigentlich sein? (Monika Neuhofer, derStandard.at, 21.4.2015)