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Brandanschläge und Plünderungen in Geschäften afrikanischer Einwanderer: Zuletzt griff die fremdenfeindliche Gewalt auch auf Johannesburg über.

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Betroffenheit in Südafrikas Zivilgesellschaft. Auch am Wochenende gab es Demonstrationen gegen die Gewaltausbrüche. Doch die Gesellschaft muss sich auch Vorwerfen, den Nährboden für die Gewalt geschaffen zu haben.

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Flucht aus Südafrika. Zahlreiche Flüchtlinge waren seit Jahren im Land und haben sich Existenzen aufgebaut. Nun müssen viele wieder zurückreisen - etwa nach Simbabwe, das Tausende wegen Armut und Gewalt verlassen hatten.

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Bei einem der schwersten Gewaltausbrüche gegen Ausländer kamen in der Küstenstadt Durban in den vergangenen Tagen sechs Menschen ums Leben, und tausende sind vertrieben worden. Einheimische plünderten Häuser und Geschäfte ausländischer Bewohner und steckten sie in Brand.

Ein Friedensmarsch mit 10.000 Teilnehmern in Durban sollte am Donnerstag als Gegenbewegung zum Ausländerhass ein Zeichen setzen. Allerdings kam es dabei zu heftigen Auseinandersetzungen mit der Polizei. Mit Tränengas, Gummigeschoßen und Wasserwerfern versuchten Polizisten, etwa 1000 randalierende Südafrikaner auseinanderzutreiben. Es herrschte Chaos in der Innenstadt und die dort stationierten Polizeitruppen beobachten derzeit weiterhin die angespannte Lage.

"Ubuntu" in weiter Ferne

Bei dem Protestmarsch hielten Menschen Plakate mit dem Wort "Ubuntu", ein afrikanisches Leitmotiv für Menschlichkeit. Aber das Phänomen der Gewalt ist in der Gesellschaft tief verankert, und auch die Gewalt gegen Ausländer aus anderen afrikanischen Ländern wie dem Kongo und Nigeria zeigt nach den brutalen und tödlichen Übergriffen auf schwarze Nachbarn und Ladenbesitzer aus der Fremde im Jahr 2008 immer wieder ihr Gesicht.

Die jüngste Welle des Hasses gegen Migranten schwappte auch auf die Johannesburger Innenstadt über, Geschäfte blieben vergangene Woche aus Sorge vor gewaltsamen Übergriffen weitgehend geschlossen. Ausländer bitten die Regierung um Hilfe, suchen Schutz in Polizeistationen. Angeblich hatten sich Angreifer auch per SMS bei einigen ausländischen Kiosk- und Ladenbesitzern in Johannesburg gemeldet mit der Botschaft: "Wir kommen, um euch zu töten."

Die eingewanderten Somalier, Äthiopier, Pakistani, Menschen aus Konfliktländern oder den afrikanischen Nachbarstaaten bangen um ihr Leben, denn die bitteren Erfahrungen der brennenden Townships 2008 und der Ermordungen von 62 schwarzen Ausländern durch schwarze Südafrikaner sitzen tief. Das Land war damals in Schock, hat aber seither nichts dazugelernt. Die Polizei reagiert bei Angriffen mit Gewalt, aber beugt diesen gewaltigen Hasstiraden nicht vor.

Junge Angreifer

Ntomifuthi, eine junge Frau aus der armen Ostkapprovinz, lebt und arbeitet in der Innenstadt Johannesburgs: "Wenn sie keine Ausländer im Land haben wollen, dann sollen sie es ihnen sagen, anstatt zuzusehen, wie sie getötet werden." Ihr Aufruf richtet sich an junge Leute, die häufig in die Angriffe auf Ausländer verwickelt sind: "Junge Südafrikaner, wir müssen offen bleiben im Geist, wir sollten in der Lage sein, jeden unterzubringen."

In Durban sind die Attacken indessen gegen Ende der Woche abgeklungen, aber die Angst bleibt. Zelte in vorübergehenden Hilfslagern, unter anderem des Roten Kreuzes, beherbergen diejenigen, die während der Unruhen vertrieben worden sind. Die Regierung hingegen erklärte: "Wir haben Xenophobie (wie Ausländerhass in Südafrika meist genannt wird) unter Kontrolle."

Allerdings hat sich der Zulu-König in der Provinz Kwa-Zulu Natal in Durban, Goodwill Zwelithini, wegen einer Beschwerde vor einer südafrikanischen Menschenrechtsorganisation zu verantworten. Er habe den Ausländerhass geschürt, indem er diese aufrief, ihre Sachen zu packen und zu gehen.

Kritik an Präsident Zuma

Vorwürfe des Nichthandelns an Präsident Jacob Zuma vom African National Congress, der in Kwazulu-Natal beheimatet ist, waren laut geworden. Am Donnerstag hat er schließlich nach Tagen der fremdenfeindlichen Unruhen im Parlament die Angriffe verurteilt, am Wochenende besuchte er ein Flüchtlingslager. Die Gewalt sei inakzeptabel, die Angriffe beschädigten alle Werte, für die Südafrika stehe, insbesondere den Respekt vor Menschenrechten. Die Mehrheit der Bevölkerung sei nicht fremdenfeindlich, betonte er.

Integration ist gefragt, anstatt Isolierung der ausländischen Mitbürger, fordern soziale Gruppen.

Problematische Sprache

Doch die Sprache des Nationalismus und Patriotismus, die oft von der Regierung zu hören gewesen sei, sei problematisch, sagte Lucien van der Walt, Soziologieprofessor an der Rhodes-Universität in Grahamstown im Osten des Landes. "Es gibt ein fast komplettes Versagen des Staates, wenn es um den Umgang mit Kriminalität geht. Es sei denn, diese betrifft die Elite. Das Vertrauen in die Polizei ist sehr gering." Nach dem Angriff der Polizei auf streikende Arbeiter in Marikana 2012 habe die arbeitende Klasse noch weniger Vertrauen.

Van der Walt ist überzeugt: "Südafrika ist mit seinen Strategien zur Ausländerfrage, der Bekämpfung der Armut und Ungleichheit eine Brutstätte für Gewalt. Wenn es harten Wettbewerb um Stellen, den Besitz von Kiosken und Ähnliches geht, dann ist das der Kontext, in dem sich diese Dinge abspielen. Der Staat ist schuld. Er hat seit 1994 viel geliefert, aber im Grunde haben wir eine Menge struktureller Mängel aufrechterhalten." (Martina Schwikowski aus Johannesburg, DER STANDARD, 20.4.2015)