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Rahul Gandhi am Samstag bei einem Protest von Bauern gegen die Landgesetzpläne der Regierung. Zumindest die Kernwählerschaft ist dem De-facto-Oppositionschef noch treu.

Foto: Reuters / ANINDITO MUKHERJEE

Fast zwei Monate war er spurlos verschwunden. Nun ist Rahul Gandhi, "Kronprinz" der Gandhi-Dynastie in Indiens oppositioneller Kongresspartei, wieder da. Er sei am Morgen mit einem Flug aus Bangkok in Delhi eingetroffen, überschlugen sich am Donnerstag die TV-Sender mit Eilmeldungen.

Nach einer Serie von Wahlschlappen hatte sich der 44-Jährige im Februar eine Auszeit genommen, um "in sich zu gehen". Sein mysteriöses Verschwinden hatte für Witze und wilde Gerüchte gesorgt – doch am Wochenende engagierte er sich schon wieder in Kampagnen seiner Partei gegen ein geplantes Landgesetz der Regierung.

Medien hatten spekuliert, Rahul werde nun seine Mutter Sonia ablösen und die Führung der Partei übernehmen. Diese kämpft gegen den Untergang, seit sie bei den Parlamentswahlen im Mai 2014 eine historisch schwere Niederlage gegen die Hindupartei BJP des nunmehrigen Premiers Narendra Modi erlitt und nur 44 von 545 Sitzen holte.

Schwieriges Erbe

Angeblich hat sich Rahul für eine Schweigemeditation nach Myanmar zurückgezogen. Einige Gandhi-Getreue hoffen, dass ein Generationswechsel die dahinsiechende Partei wiederbelebt. Seit Jahrzehnten führen die Gandhis die Partei und die meiste Zeit auch das Land. Rahuls Urgroßvater Jawaharlal Nehru, seine Großmutter Indira Gandhi und sein Vater Rajiv waren Premierminister. Auch Rahul schien der Posten quasi per Geburt in die Wiege gelegt.

Doch selbst in den Reihen der dynastisch geprägten Kongresspartei werden die Zweifel lauter, ob er das Zeug zum Politiker hat. Bisher konnte der medienscheue Spross nicht überzeugen. Er zeichnete als Stratege für die Wahlschlappen verantwortlich, und als Redner tut er sich schwer. Ihm fehlt der Politikinstinkt des Populisten Modi.

Gegengewicht zur Regierung fehlt

Das Schicksal der Kongresspartei wird auch Indiens politische Zukunft prägen. Lange war Indien ein Ein-Parteien-Staat unter dem Monopol der Kongresspartei. Nun hat ihr die BJP unter Modi diese Rolle quasi abspenstig gemacht. Das Land steht derzeit praktisch ohne starke Opposition da.

Vor allem Minderheiten fühlen sich seit Antritt der BJP zusehends verfolgt. Seit Monaten sorgt eine Serie von Anschlägen auf Kirchen für Angst unter Indiens Christen. Auch Muslime sehen sich ins Abseits gedrängt. So verbieten immer mehr Bundesstaaten den Verzehr von Rindfleisch und rauben muslimischen Schlachtern so ihre Arbeit.

Gerade Indiens Minderheiten brauchten eine starke Opposition, die der Regierung Paroli bietet und als Alternative bereitsteht. Die neue Partei AAP des Politrebellen Arvind Kejriwal kann noch nicht in diese Rolle schlüpfen. Sie fuhr zwar im Stadtstaat Delhi jüngst einen Sensationssieg ein und verwies die BJP auf Platz zwei, aber auf Landesebene muss sie erst noch erstarken. (Christine Möllhoff aus Neu-Delhi, DER STANDARD, 20.4.2015)