Künstliche Intelligenz auf zaghafter Entdeckungsreise: In Alex Garlands cleverem Science-Fiction-Drama "Ex Machina" ist der vernunftbegabte Roboter Ava (Alicia Vikander) die neueste Errungenschaft eines Technologiekonzernchefs.

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Der britische Autor und Neo-Regisseur Alex Garland.

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Wien - Mit dem wachsenden Optimismus, demnächst über avancierte Formen künstlicher Intelligenz zu verfügen, werden auch die Warnrufe lauter. Der Physiker Stephen Hawking meinte Ende vergangenen Jahres gar, A. I. könnte das Ende der Menschen einläuten - die Wesen würden beginnen, sich selbst zu reproduzieren. Auch wenn er dies später wieder etwas relativierte: Die Vorstellung, eine Technologie könnte sich über ihre Schöpfer erheben, ist nicht aus der Welt zu schaffen.

Der britische Science-Fiction-Autor Alex Garland, der mit seinem Aussteigerroman The Beach (1996 verfilmt mit Leonardo DiCaprio) mit 26 Jahren zum Star seines Genres wurde, schätzt diese Ängste im Gespräch mit dem STANDARD gelassener ein. Hawking sei unglaublich intelligent, doch "wir sollten uns nicht vor Technologien fürchten, sondern vielmehr vor uns selbst. Menschen sind immer zu noch schrecklicheren Dingen fähig."

Dass Garland gegenwärtig ähnliche Fragen oft gestellt werden, liegt an seinem Film Ex Machina (Ö-Start: 24. 4.), bei dem er erstmals selbst Regie führte. Die gewieft als Kammerspiel konzipierte Arbeit befasst sich mit einem Prototyp künstlicher Intelligenz: "Sie" heißt Ava (verkörpert vom schwedischen Jungstar Alicia Vikander), trägt ein menschliches Gesicht, und unter ihrem metallenen Netzkörper leuchten verführerisch Dioden hervor. Entworfen wurde sie von Nathan (Oscar Isaac), dem narzisstischen CEO eines Google-ähnlichen Suchmaschinenimperiums.

Mithilfe seines gutherzigen Mitarbeiters Caleb (Domhnall Gleeson) will er nun Avas Intelligenz beweisen: Der Turing-Test, eine Gegenüberstellung mit dem Roboter, soll dessen Bewusstsein bezeugen helfen. Garland inszeniert ein Dreipersonenstück in einem abgelegen liegenden Landhaus, in dessen Innerem sich ein Labor verbirgt. Die Spannung von Ex Machina ist tiefgründiger Natur. Denn hinter dem wissenschaftlichen Versuch der Beweisführung versteckt sich ein Planspiel, bei dem lange unklar bleibt, wer die Fäden zieht. Schon der Genderanteil an Ava ist, gelinde gesagt, verdächtig.

Geschlecht und Maschine

Dass er sein Wesen als Frau entworfen hat, mag daran liegen, dass er selbst Vater einer Tochter ist, erzählt Garland. "Ich kann täglich die Einflüsse sehen, auf die sie zu reagieren hat. Manches davon löst bei mir Unbehagen aus." Darüber hinaus hätten ihn jedoch ganz grundsätzliche Fragen interessiert: "Wo liegt überhaupt das Geschlecht? Wenn man diese Maschine hernimmt, die wie eine Frau aussieht: Ist sie deshalb schon weiblich? Und wenn sie es nicht ist, was macht sie dann weiblich? Ist es die Art, wie andere auf sie reagieren?"

Ava reiht sich jedenfalls in jene Serie jüngerer Scifi-Heldinnen ein, deren Weiblichkeit ein selbstbewusster Teil ihrer Erscheinung ist. Vor allem Parts von Scarlett Johansson, in Her, Under the Skin oder Lucy, liegen nahe. "Mir ist eine Form kühler, erfinderischer Intelligenz vorgeschwebt", sagt Garland zu diesem Vergleich, zieht dann aber einen anderen aus der Tasche: Ripley aus Alien. "Für mich ist Ava ein Mensch wie sie. Das heißt, sie ist eigentlich besser. Ich stattete sie mit Eigenschaften aus, die ich bei Menschen hochhalte: Ehrlichkeit, Intelligenz, Vernunft, Humor - es ist ja ein Punkt des Films, dass er sich auf Avas Seite stellt."

Dennoch ist es die Ambiguität gegenüber seinem Szenario, die den Film auszeichnet. Und mit welcher er auch Befürchtungen anspricht, die in einer Welt globaler Vernetzung von vielen Menschen geteilt werden. Wo ist Garlands Platz zwischen dem Techno-Optimismus, wie ihn das Silicon Valley vertritt, und den totalitären Anwandlungen, vor denen Whistleblower wie Edward Snowden warnen?

"Ich befinde mich wohl genau in die Mitte. Einerseits bereiten mir Tech-Unternehmen, über die es keinerlei Aufsicht gibt, große Sorgen", so Garland. "Auf der anderen Seite unterstützen sie Innovationen, die man mit jenen der Nasa der 1960er-Jahre vergleichen kann: Sie stecken immense Summen in die Blue-Skies-Forschung - also in Forschung ohne deklariertes Ziel -, sei es A. I. oder seien es Systeme, die Gesundheitsservice leisten sollen."

Alarmistisch will Garland, der in seinen Drehbüchern von 28 Days Later oder Sunshine immer wieder katastrophische Umstände ausmalte, nicht klingen. Doch je länger er räsoniert, desto pessimistischer wird sein Fazit. Als kapitalistischer Konsument hätte man nur die theoretische Macht der Verweigerung. "Das Problem ist, dass sich die Technologien so schnell entwickeln, dass wir kaum zum Reflektieren kommen. Es gab immer wieder solche Phasen in der Geschichte, in denen der Fortschritt dem Denken vorausgeeilt ist. Und die Folgen waren katastrophal schlecht. Ich wünschte, mehr Leuten wären diese Probleme bewusst." (Dominik Kamalzadeh, DER STANDARD, 18./19.4.2015)