München - Auf so eine Studie haben Öko-Kritiker seit langem gewartet: Energiesparhäuser erhöhen das Risiko für Asthma, wie Forscher vom Europäischen Zentrum für Umwelt und menschliche Gesundheit an der Universität Exeter kürzlich in einer Studie in "Environmental International" publiziert haben.
Öko und Asthma
Richard Sharpe und sein Team hatten Daten von 777 Einwohnern und ihren Häusern in Cornwall analysiert. Wie energiesparend ein Haus war, maßen sie anhand der Standard Assessment Procedure (SAP), ein von der britischen Regierung empfohlenes System zur Einschätzung des Energieverbrauches.
Damit werden die jährlichen Kosten für Heizen, Strom und Ventilation sowie die CO2-Emissionen berechnet. Die SAP-Skala reicht von eins bis hundert, wobei hundert ein extrem energiesparendes Haus bedeutet. Je höher die SAP, desto häufiger waren die Bewohner im Jahr zuvor wegen Asthma beim Arzt, und desto öfter nahmen sie Asthmamedikamente.
Bei einer SAP von mehr als 70 war das Risiko doppelt so groß wie bei einer SAP von 24 bis 60. "Die Leute isolieren wie wild und bauen absolut undurchlässige Fensterdichtungen, aber sie ändern ihre Lüftungsgewohnheiten nicht", sagt Dennis Nowak, Umweltmediziner am Klinikum der Ludwig-Maximilians-Universität in München.
"Sie vergessen, dass der Mensch durch Atmung, Schwitzen, Kochen und Duschen gut zwei Liter Flüssigkeit pro Tag an die Raumluft abgibt. Bei einer vierköpfigen Familie entspricht das locker einem großen Eimer Wasser." Würden dann die Bewohner nicht lüften, sagt Nowak, steige die Luftfeuchtigkeit an, was das Wachstum von Schimmelpilzen und Milben begünstige.
Umwelt als Feind
Doch energiesparende Häuser erklären die Anfälligkeit für Asthma nur zum Teil. "Asthma entsteht durch ein kompliziertes Wechselspiel vieler Faktoren, Schimmelpilze und Hausstaubmilben sind nur zwei mögliche", sagt Ioana Agache, Expertin für Asthma bei der Europäischen Akademie für Allergie und klinische Immunologie (EAACI).
Die Vererbung beeinflusst, wie empfindlich die Atemwege auf Reize aus der Umwelt reagieren. Ob Asthma ausbricht, hängt vermutlich von diesen Reizen ab. "Am besten nachgewiesen ist, dass Zigarettenrauch Asthma begünstigt", sagt Agache, "und zwar aktives und passives Rauchen."
Auch Allergien auslösende Stoffe wie Pollen, Tierhaare, Chemikalien oder Medikamente sind häufig für Asthma mitverantwortlich. "Es ist problematisch, sich - wie es in dieser Studie gemacht worden ist - nur auf einen oder zwei Risikofaktoren zu fixieren. Man muss immer die komplexe Entstehungsgeschichte berücksichtigen", sagt Agache.
Frage nach ursächlichem Zusammenhang
Die Studie habe außerdem die Schwäche, dass die Forscher zu wenige konkrete Fragen gestellt hätten, sagt Armin Schuster, Biologe am Institut für Umweltmedizin und Krankenhaushygiene an der Uniklinik in Freiburg. "So konnten sie nur eine Assoziation feststellen. Über einen ursächlichen Zusammenhang sagt das noch nichts aus."
Dafür hätten sie fragen müssen, ob nach Einzug in ein Energiesparhaus oder nach einem Umbau mehr Menschen erkrankt seien oder ob sich bei bereits an Asthma Erkrankten in solchen Gebäuden die Krankheit verschlimmert habe.
Andere Daten deuten allerdings auf einen kausalen Zusammenhang zwischen Raumluft und Asthma hin: Wissenschafter aus den USA und aus Thailand bestätigten gerade mit einer umfangreichen Analyse von 69 Studien, dass Feuchtigkeit Asthma verschlimmert, vermutlich bedingt durch Milben und Schimmelpilze.
Stoßlüften als Lösung
"Man kann das Asthmarisiko ganz einfach senken", sagt Schuster, "indem man mehrmals täglich stoßlüftet, die Wohnung gleichmäßig heizt und keine Luftbefeuchter benutzt." Gegen Milben hilft, wenn man die Wohntemperatur eher kühl und trocken einstellt, regelmäßig putzt und bei Milbenallergie Schutzüberzüge für Matratzen, Kissen und Betten verwendet. Verzichtet man zudem auf das Rauchen, tut man Lungen und Blutgefäßen etwas Gutes.
Neubauten sollten nicht bezogen werden, bevor Beton, Zement und Estrich richtig ausgetrocknet sind, rät Schuster. Denn manchmal entsteht während des Bauens Schimmel - etwa wenn Fenster im Winter geschlossen waren. "Gut isolierte Neubauhäuser sind in Ordnung, solange die Bewohner regelmäßig lüften", sagt Umweltmediziner Nowak. "Aber wenn ein zugiger Altbau isoliert wird und man sich wie zuvor verhält, treten Probleme auf - so sicher wie das Amen in der Kirche." (Felicitas Witte, DER STANDARD, 18./19.4.2015)