Planen mit BIM: Jeder einzelne Bauteil hat eine eigene Nummer, die zu erwartenden Gesamtkosten sind auch nach Umplanungen sofort darstellbar. Und Planungsfehler werden sofort sichtbar.

Visualisierung: Porr Design & Engineering GmbH

Der mehrgeschoßige Wohnbau ist am Bildschirm virtuell begehbar, jeder Bauteil kann angeklickt und sofort auf seine Kompatibilität mit den statischen Anforderungen und den angepeilten Baukosten überprüft werden. Ebenso rasch ist per Klick feststellbar, ob Gangbreiten und Fensterflächen der Bauordnung entsprechen und ob das Gebäude genug Abstand zum Nachbarhaus hat.

Diese neue Wunderwelt des Planens nennt sich "Building Information Modeling", kurz BIM - und ist so neu nun auch wieder nicht. Im angloamerikanischen Raum und in Skandinavien müssen Ausschreibungen öffentlicher Auftraggeber bereits verpflichtend in BIM abgegeben werden.

Österreich ist noch nicht so weit, und in so manchem Architekturbüro findet man das ganz gut so. Allein mit den Kosten für die Software-Lizenzen (es gibt drei große und noch einige kleinere Anbieter) für mehrere Mitarbeiter kommt man nämlich schnell in den fünfstelligen Bereich.

Andererseits ist BIM schlicht und ergreifend "die Zukunft, und zwar die einzige - ob wir das wollen oder nicht". Das sagt zumindest Christoph M. Achammer von ATP Architekten. Er hat zwischen 2009 und 2013 alle neun ATP-Büros, auch die heimischen in Wien und Innsbruck, komplett auf BIM umgestellt.

Zeichnen oder modellieren

Dass das nur deshalb so gut funktionierte, weil ATP einerseits kaum für öffentliche Auftraggeber arbeitet, andererseits von der Größe her mit 550 Mitarbeitern schon eher angloamerikanischen Vorbildern nacheifert - dort sowie auch in Skandinavien sind die Architekturbüros meist wesentlich größer -, lässt Achammer durchaus als Einspruch gelten. Vom Zugang her ist es für ihn aber doch ein fundamentaler Unterschied, "ob man die EDV nur, wie bisher, als Unterstützung beim Zeichnen verwendet oder ob man damit virtuelle Gebäude modelliert". Zudem ist aus seiner Sicht "auch ein Ein-Mann-Büro nicht damit überfordert, sofern es anständige Honorare gibt".

Der sozusagen lebende Beweis dafür ist der Kärntner Architekt Peter Kompolschek. Er ist als Ein-Personen-Unternehmer überzeugter BIM-Anwender und außerdem Vorsitzender jenes Gremiums, das bei Austrian Standards an einer BIM-Normierung arbeitet. "BIM macht Planungsprozesse transparent. Dadurch kann man paral- lel zusammenarbeiten und nicht nur hintereinander wie bisher", sagt er. Häuser können so um bis zu ein Drittel günstiger errichtet werden.

Paralleles Arbeiten

"Im klassischen 2-D-Planungsprozess wurde an vielen verschiedenen Stellen alles doppelt, dreifach, sogar vierfach gemacht", sagt auch Gernot Wagner, Geschäftsführer der Porr Design & Engineering GmbH. Mit BIM sei das vorbei, wie Wagner und sein BIM-Abteilungsleiter Clemens Neubauer anhand ihrer Planungen für den eingangs beschriebenen Wohnbau deutlich machen. "Es gibt nur noch ein Gebäudemodell, eine zentrale Datenbasis." Daran könnten dutzende Fachplaner der verschiedensten Bereiche - Statik, Haustechnik, Bauphysik etc. - parallel arbeiten, ohne sich in die Quere zu kommen. "Die Kommunikationswege sind viel kürzer, und jeder muss sich nicht hundertmal den Plan ausdrucken."

Wagners und Neubauers Wahrnehmung zufolge sind es im Übrigen auch eher die kleinen Architekturbüros, die gegenüber BIM aufgeschlossener sind. "Wir haben die größte Gegenwehr von den großen Büros erlebt. Diese denken oft nämlich, dass sie zwar den ganzen Aufwand haben, der Mehrwert des BIM aber nur den ausführenden Firmen zugutekommt."

Auch BIG nähert sich BIM

Bei der Bundesimmobiliengesellschaft (BIG), die manche als BIM-Treiber in Österreich sehen wollen, die sich selbst aber nicht als solchen sieht, hat man noch andere Bedenken: "Wir schauen uns derzeit die vergaberechtliche Situation sehr genau an", sagt Geschäftsführer Wolfgang Gleissner. Er befürchtet nämlich zweierlei: Erstens, dass eine Ausschreibung, die BIM zwingend vorschreibt, vergaberechtlich nicht halten könnte. "Zweitens schränken wir uns damit auch selbst den Wettbewerb ein, wenn BIM derzeit höchstens drei, vier Büros in Österreich schaffen." Bei einem anstehenden Schulsanierungsprojekt will man nun aber erste Erfahrungen sammeln. Im Neubau hält Gleissner eine erste Ausschreibung im kommenden Jahr für möglich.

Dass BIM in Österreich noch relativ wenig angewandt wird, liegt für den BIG-Chef vor allem an den vorherrschenden Unternehmensstrukturen. "In England oder Skandinavien gibt es sehr große Firmen. In Österreich hat das durchschnittliche Architekturbüro drei Mitarbeiter." Außerdem werde in Österreich bzw. generell in Mitteleuropa stärker zwischen Planern und Ausführenden getrennt als in den genannten Ländern und Regionen. Letztlich aber sei die Durchsetzung von BIM auch irgendwie "ein Henne-Ei-Problem", sagt Gleissner: Irgendwer müsse damit anfangen.

Um die Diskussion voranzutreiben und um - wie Kompolschek es nennt - "europaweit eine gemeinsame Sprache zu finden", schaltete sich zuletzt auch die EU-Kommission ein. Denn trotz aller Vorteile von BIM ist auch für Achammer eines evident: "Die Schnittstellenproblematik zwischen den wichtigsten Software-Anbietern ist nach wie vor ungelöst; die Programme verstehen sich untereinander überhaupt nicht, auch wenn das oft behauptet wird", sagt der Praktiker. (Martin Putschögl, DER STANDARD, 18.4.2015)