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Chinas Führung steckt die Journalistin Gao Yu für sieben Jahre ins Gefängnis.

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Proteste gegen die Inhaftierung in Hongkong.

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Peking - Peking machte kurzen Prozess. Die Verurteilung der Enthüllungsjournalistin und systemkritischen Autorin Gao Yu zu sieben Jahren Haft dauerte nur 20 Minuten. Damit lässt Chinas Führung die 71-Jährige zum dritten Mal seit dem Tiananmen-Massaker ins Gefängnis werfen. Im Juni 1989 wurde sie für mehr als ein Jahr eingesperrt, weil sie damals die demonstrierenden Studenten unterstützte. 1993 kam sie für sechs Jahre in Haft wegen Enthüllung geheimer Parteidokumente. Am Freitag wurde sie erneut wegen angeblichen Geheimnisverrat bestraft, diesmal nur noch drastischer.

Einspruch

Ihre beiden Vertrauensanwälte Shang Baojun und Mo Shaoping erhoben Einspruch gegen die Verurteilung. Beide Anwälte sagten zu BBC und Deutscher Welle, sie seien "tief entäuscht und unzufrieden." Gao Yu habe das Urteil aber gefasst aufgenommen und werde Berufung einlegen. Neben den Anwälten nahmen auch Gaos Bruder Gao Wei und ihr Sohn Zhao Meng am Prozess teil. Der Bruder soll nach dem Urteilspruch laut gerufen haben. "Gao Yu. Pass gut auf Dich auf!"

Richter statuierten ein Exempel

Anwalt Shang hatte sich zuvor besorgt über den Gesundheitszustand von Gao geäußert, die unter hohem Blutdruck und Herzbeschwerden leide. Das angebliche Verbrechen der Journalistin, die Gastautorin auch für die Deutsche Welle war, bestand darin, im August 2013 das ZK-Dokument Nummer 9 im Ausland bekannt gemacht zu haben. Die Anklage wirkt in diesem Fall besonders grotesk. Denn in dem einst parteiintern weitverbreiteten Dokument kündigt Chinas Führung an, sie wolle mit harter Hand gegen alle Hochschullehrer, liberale Intellektuelle und Journalisten vorzugehen, die das westliche Wertesystem in der sozialistischen Volksrepublik propagieren, von der Pressefreiheit bis zur Unabhängigkeit der Justiz. Nun scheinen die Richter dem Geist des Dokuments zu folgen. Sie statuierten ein Exempel an Gao, die 1997 den Pressefreiheitspreis der UNESCO gewann. Kurz vor ihrer Festnahme im April 2014 hatte sie in einem Interview mit der Hongkonger "South China Morning Post" (SCMP) über Chinas Führung gesagt. "Sie können Berge und Flüsse versetzen, aber nicht das Wesen eines Menschen verändern. Sieben Jahre in Haft haben es nicht geschafft, meinen Enthusiasmus für Nachrichten zu dämpfen."

Gericht weiträumig abgesperrt

Zum Prozessbeginn um neun Uhr war das Gebäude des Mittleren Volksgericht Nummer 3 weiträumig abgesperrt. Journalisten kamen nicht einmal in die Nähe des Eingangs. Auch diplomatische Prozessbeobachter aus einem Dutzend westlicher Botschaften, darunter aus Österreich. wurden nicht zur Urteilsprechung zugelassen. Ein Gerichtssprecher bedauerte: Leider seien "in dem kleinen Raum schon alle 14 Zuschauerplätze besetzt." Bis auf eine kurze Nachricht zur Verurteilung von Gao meldete die chinesischsprachige Agentur "Xinhua" bis zum Nachmittag keine weiteren Details der Verhandlung. Chinas Zensur kontrollierte Mikroblogs und Online-Kurznachrichten, sperrte Kommentarfunktionen und löschte kritische Einträge. Nur solche Äußerungen blieben im Netz stehen, die Gao als "Verräterin" denunzierten, oder für sie eine "noch schwerere Strafe" forderten.

Rechtsbeugungen im Verfahren

Im Verfahren gegen Gao, die am 24. April 2014 festgenommen wurde, war es immer wieder zu Rechtsbeugungen gekommen. Die Polizei erlaubte dem Staatsfernsehen CCTV die in eine Häftlingsjacke gesteckte Journalistin innerhalb der ersten zwei Wochen ihrer Verhöre zu filmen. Die Aufzeichnung, die Frau Gaos Persönlichkeitsrechte mit Füßen tritt, wurde am 8. Mai öffentlich in den TV-Nachrichten gesendet, darunter auch eine von ihr abgegebene Schulderklärung.

Gao hat ihr Geständnis widerrufen und die Behörden ihrerseits beschuldigt, sie gezwungen zu haben. Beim eintägigen Prozess Ende November erklärte sie sich vor Gericht im Sinn der Anklage für nicht schuldig. Zweimal verschoben die Richter den Urteilstermin und warteten fast fünf Monate. Mit dem Urteil sieben Jahre Gefängnis kommt das Gericht an seine Höchstgrenze. Gao ist weder Beamtin noch Parteimitglied, bei denen Geheimnisverrat mit fünf bis zehn Jahren Haft schwerer bestraft warden kann.

Stimme der Aufklärung

Die couragierte Journalistin galt international immer als Stimme der Aufklärung. Sie war in den vergangenen Jahren als freie Internetautorin mit Gastbeiträgen und Interviews regelmäßig in Auslands-Rundfunkprogrammen vertreten, von der "Deutschen Welle", "Radio Free Asia" bis zu Hongkonger und asiatischen Sendern.

Der Umgang mit der Journalistin steht auch im krassen Widerspruch zu den Versprechen der Partei, aus China einen Rechtsstaat zu machen, die Parteichef Xi auf einem Sonderparteitag vergangenen Oktober abgab. Eines von den neuen Postulaten zur Verrechtlichung von Regierung und Verwaltung lautet: Die Offenlegung von Informationen muss die Norm sein und Geheimhaltung die Ausnahme. Das gilt aber nicht für die alleinherrschende Partei. Gao Yu musste es nun wieder erfahren. (Johnny Erling aus Peking, derStandard.at, 17.4.2015)