Bild nicht mehr verfügbar.

Eskalation im Ärztestreit bei den Bayern: Hans-Wilhelm Müller-Wohlfahrt schmeißt hin. Und der FC Bayern steht plötzlich ohne medizinische Abteilung da.

Foto: REUTERS/Mike Blake

München/Köln - Der Ärztestreit bei Bayern München ist eskaliert: Einen Tag nach der 1:3-Niederlage im Viertelfinale der Champions League beim FC Porto hat Hans-Wilhelm Müller-Wohlfahrt bekannt gegeben, nach fast vierzig Jahren seine Tätigkeit als Team-Arzt niederzulegen. In einer Mitteilung sprachen der 72-Jährige und drei seiner Kollegen von einem "geschädigten Vertrauensverhältnis". Müller-Wohlfahrt betreut auch die deutsche Nationalmannschaft.

Die Bayern stellten am Freitagvormittag bereits eine Übergangsregelung vor. Bis auf weiteres wird Dr. Volker Braun, Facharzt für Orthopädie und Unfallchirurgie und Sportmediziner, die Mannschaft bei ihren Spielen begleiten. Der Klub bedauerte den Abgang Müller-Wohlfahrts und dankte für "erstklassige Arbeit". Weiter wollte man bei der Spieltags-Pressekonferenz nicht auf die Sache eingehen.

"Für die Niederlage hauptverantwortlich"

Müller-Wohlfahrt, sein Sohn Kilian sowie Peter Ueblacker und Lutz Hänsel erklärten in ihrem Schreiben, die Mitarbeiter der medizinische Abteilung seien "aus ihnen unerklärlichen Gründen für die Niederlage hauptverantwortlich gemacht" worden. Die Bayern wurden von dem Schritt völlig überrascht. "Wir haben von dieser Pressemitteilung keine Kenntnis, insofern können wir sie nicht kommentieren", sagte Mediendirektor Markus Hörwick am Donnerstagabend.

Zwischen Bayern-Trainer Pep Guardiola und Müller-Wohlfahrt war es in der Vergangenheit bereits zu Meinungsverschiedenheiten gekommen, das Verhältnis galt als belastet. Zuletzt schien es allerdings, als habe man sich zusammengerauft. Guardiola wertete den Rücktritt als persönlichen Entschluss. "Es war seine Entscheidung", sagte der Spanier am Freitag.

Vor allem bei der Behandlung des über ein Jahr verletzten Thiago gab es hinter den Kulissen mächtig Ärger. Befeuert wurde die Situation durch den langwierigen Ausfall von Franck Ribery nach dem Donezk-Spiel im März. Nach dessen Knöchelverletzung wurde zunächst nur eine kurze Pause bekannt gegeben, jetzt fehlt der Franzose immer noch.

"Vertrauensverhältnis nachhaltig beschädigt"

Zum Bruch kam es nach der 1:3-Niederlage in der Champions League gegen Porto, bei der Medhi Benatia (Muskelfaserriss), Franck Ribéry (Knöchelprobleme), Arjen Robben (Bauchmuskelriss), Javi Martinez (Kreuzbandriss) und David Alaba (Innenbandriss) verletzt gefehlt hatten. Das Ärztequartett sieht "dadurch das für eine erfolgreiche medizinische Arbeit notwendige Vertrauensverhältnis nachhaltig beschädigt".

Die tägliche Arbeit mit der Mannschaft hatte seit Anfang des Jahres Kilian Müller-Wohlfahrt geleistet. Guardiola soll zuvor darüber verärgert gewesen sein, dass die Spieler bei Blessuren stets den langen Weg zu Müller-Wohlfahrt senior in die Münchner Innenstadt zurücklegen mussten.

Schon einmal war Müller-Wohlfahrt in seiner langen Bayern-Karriere zurückgetreten. Nach einem Streit mit Jürgen Klinsmann im Jahr 2008 aus ähnlichen Gründen, kehrte der Arzt allerdings unmittelbar nach dessen Entlassung auf seinen Posten zurück.

Prominente Patienten

Müller-Wohlfahrt gilt als medizinische Institution. Sogar Supersprinter Bolt, Doppelolympiasieger von London, bedankte sich nach seinem Sieg über 100 Meter ausdrücklich bei ihm. "Er ist ein großer Mann. Er hat meine Muskeln behandelt, aber er war mehr als ein Arzt für mich", sagte der Jamaikaner. "Er hat eine sehr wichtige Rolle gespielt."

Die spielt und spielte Müller-Wohlfahrt aber nicht nur bei Bolt. In der Praxis in der Münchner Innenstadt geben sich Stars aus allen Bereichen des Lebens die Klinke in die Hand. Da tauchte dann auch schon einmal spontan Bruce Springsteen auf, weil seine Konzerttournee wegen akuter Rückenprobleme in Gefahr war. Warum so viele Menschen dem in Leerhafe in Ostfriesland geborenen Pastorensohn vertrauen, packte Tennisspielerin Andrea Petkovic in plakative Worte: "Er hat goldene Hände." Lothar Matthäus sprach einst von "Radarfingern". (sid/red, 17.4.2015)