Laurent Stefanini soll als Botschafter in den Vatikan. Dass er homosexuell ist, bringt den Papst nun in die Bredouille.

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Ist es eine Provokation? Oder eher die Entlarvung der Heuchelei des Heiligen Stuhls? Oder nichts von alledem, das heißt, eine Affäre, die keine Schlagzeilen verdient? Tatsache ist, dass das französische Außenministerium seit mehr als drei Monaten auf eine Antwort aus dem Vatikan wartet, nachdem es bereits Anfang Jänner Laurent Stefanini als neuen Botschafter nominiert hatte. Der gewiefte Berufsdiplomat schien wie gemacht für den Posten: Er ist praktizierender Katholik und kennt sich im Vatikan aus – er hatte dort schon von 2001 bis 2005 als Botschaftsrat gedient.

Richtiger Mann am richtigen Ort

Außerdem ist Stefanini schwul. Der kultivierte 55-Jährige lebt zwar sehr diskret, aber er verhehlt seine sexuelle Orientierung nicht. Und sie ist das zumindest vordergründige Motiv dafür, dass Frankreich seit mehr als drei Monaten auf das "Agrément" wartet. Im Februar versuchte der apostolische Nuntius in Paris, Erzbischof Luigi Ventura, Stefanini bei einem Treffen von der Nominierung abzubringen. Er erhielt aber nur zur Antwort, der Entscheid werde höheren Ortes gefällt. Seine offizielle Nominierung erfolgte in der Tat im Rahmen einer Regierungssitzung, die wie immer Präsident François Hollande leitete.

Die französische Diplomatie stellt jede Provokation, die ihr von kirchlicher Seite unterstellt wird, in Abrede: Stefanini sei der richtige Mann am richtigen Ort, und mehr gebe es dazu nicht zu sagen. Die sexuelle Orientierung ist – wie etwa die ethnische Herkunft – kein Thema für die französische Republik, die dem Gleichheitsgebot verpflichtet ist. Dieses sakrosankte Prinzip veranlasste Frankreich im Jahre 2007 schon einmal dazu, einen homosexuellen Botschafter im Vatikan platzieren zu wollen. Auch damals schwieg sich der Heilige Stuhl so lange aus, bis Frankreich einen neuen Diplomaten nominierte.

Schweigen des Vatikans unverständlich

Jetzt ist die Affäre aber bedeutend politischer und damit umstrittener. Der Botschafterposten der "ältesten Tochter der Kirche", wie sich das katholische Frankreich selber nennt, ist im Vatikan seit 1. März unbesetzt. Am Mittwoch erklärte der französische Regierungssprecher Stéphane Le Foll trotzdem, sein Land halte an der Nominierung fest. Zuvor hatte sich sogar der keineswegs ultraliberale Pariser Erzbischof, Kardinal André Vingt-Trois, für Stefaninis Berufung ausgesprochen. Auch der italienische LGBT-Verband Arcigay griff nun in die Debatte ein und erklärte, das Schweigen des Vatikans sei umso unverständlicher, als ein Drittel der Angestellten am Heiligen Stuhl homosexuell seien.

Laut dem Römer Blog "Vatican Insider" bringt die Affäre Papst Franziskus langsam selbst in Bedrängnis. Sein weltoffener Ruf geht auch darauf zurück, dass er schon schwule und lesbische Katholiken empfangen hat. "Wenn jemand schwul ist, den Herrn sucht und guten Willen zeigt, wer bin ich, das zu verurteilen?", hatte er gefragt. Auch die Kurie lehne nicht die Stefanini ab, aber dessen Stellungnahme für die in Frankreich – auf Betreiben Hollandes – eingeführte Homoehe. Diese wurde von allen großen Religionen abgelehnt, in verklausulierten Worten auch vom Papst persönlich. Dort dürfte letztlich der Kern der "Affäre Stefanini" liegen. Und je länger das Schweigen des Vatikans dauert, desto schwieriger wird es für Franziskus, einen Ausweg zu finden. (Stefan Brändle, derStandard.at, 16.4.2015)