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Stanislav Gross, der einst jüngste Regierungschef in der Geschichte Tschechiens, ist am Donnerstag gestorben.

Foto: Rene Volfik/CTK via AP

Prag – Der ehemalige tschechische Premierminister Stanislav Gross ist am Donnerstag im Alter von 45 Jahren gestorben. Gross litt, wie auch der britische Physiker Stephen Hawking, an Amyotropher Lateralsklerose (ALS), einer Erkrankung des motorischen Nervensystems.

Der gelernte Elektromechaniker absolvierte eine steile politische Karriere: Mit 22 wurde er Abgeordneter der Sozialdemokraten (ČSSD), mit 30 Innenminister. 2004 wurde er im Alter von nur 34 Jahren Parteivorsitzender und Premierminister, im selben Jahr schloss er an der Universität Pilsen ein Jusstudium mit dem Doktortitel ab.

Zukunftshoffnung

Der Senkrechtstarter Gross galt einst als Zukunftshoffnung der tschechischen Sozialdemokraten. Als sein Vorgänger Vladimíř Špidla, der das Land erfolgreich in die Europäische Union geführt hatte, kurz nach dem EU-Beitritt die Wahlen zum Europäischen Parlament verlor und als Partei- und Regierungschef zurücktrat, war Gross der logische Nachfolger.

Nach nur neun Monaten als Premierminister und einer Affäre rund um die unklare Finanzierung seiner Wohnung zog Gross sich 2005 jedoch wieder aus der Politik zurück. Auch später wurden ihm undurchsichtige Geschäfte vorgeworfen. Im Jahr 2007 erwarb er um 20 Millionen Kronen (knapp 750.000 Euro) Aktien einer tschechischen Energiehandelsgesellschaft, nur ein halbes Jahr später verkaufte er seine Anteile um mehr als das Fünffache. 2011 stellte er seine Mitgliedschaft in der ČSSD ruhend, nachdem er auch im Zusammenhang mit der Privatisierung der Kohlegesellschaft MÚS unter Korruptionsverdacht geraten war.

Öffentliche Entschuldigung

Seit dem Ausbruch seiner Erkrankung lebte Gross eher zurückgezogen. In den wenigen Interviews, die er gab, bekannte er sich zum Christentum und distanzierte sich von seiner Vergangenheit als Politiker. Er führe nun ein "innerlich freieres Leben". In Tschechien entbrannte daraufhin eine Diskussion um den Ex-Premier. Präsident Miloš Zeman, der sich bereits Jahre zuvor mit Gross überworfen hatte, erklärte: "Wenn Stanislav Gross den Weg zu Christus gefunden hat, dann sollte er sein Eigentum verteilen. Ich bezweifle aber, dass er das tun wird."

Im Jahr 2014 gab Gross, von der Krankheit bereits schwer gezeichnet, dem öffentlich-rechtlichen tschechischen Fernsehen ein Interview, in dem er sich bei allen entschuldigte, deren Vertrauen er enttäuscht habe. Gross hinterlässt eine Frau und zwei Töchter. (schub, DER STANDARD, 17.4.2015)