Heinz Zourek freut sich über Erfolge im Kampf gegen Steuervermeidung bei Vermögen. Allerdings ist noch offen, ob die EU auch bei der Unternehmensbesteuerung Fortschritte erzielen wird.

Foto: Regine Hendrich

STANDARD: Luxleaks und damit die Steuerverfünstigungen für Konzerne in Luxemburg, aber auch anderen Ländern, haben eine Welle der Entrüstung ausgelöst. Unternehmen schlagen sich mit sogenannten Rulings vorweg einen attraktiven Deal mit dem Finanzamt Aus. Was unternimmt die EU dagegen?

Zourek: Dazu muss man sagen, dass diese Rulings oder Vorabentscheidungen etwas ganz Normales, Vernünftiges und Nützliches sind. Denn sie ermöglichen jemandem, sich vorweg über die steuerliche Situation in einem Land zu informieren, die dann auch so stattfindet, wenn beispielsweise ein Unternehmen gegründet wird. Zum anderen aber gibt es den Umstand, dass die Steuersysteme zwischen den Mitgliedsstaaten völlig unkoordiniert und autonom entwickelt wurden und es daher möglich ist, dass eine Regelung in einem Land einem multinationalen Konzern einen Steuervorteil bringt. Das hätte bisher schon gemeldet werden müssen, wenn es einen negative Spill Over auf ein anderes Land gibt. Das hat aber nicht wirklich stattgefunden. Wir können auch nicht kontrollieren, weil wir nicht wissen, wer wann wo ein solches Ruling erlassen hat.

STANDARD: Das erinnert an den Hund, den man auf die Wurst aufpassen lässt?

Zourek: Man könnte es auch so vergleichen: Das wäre wie eine Regelung, bei der der Schüler, der schummelt, das dem Klassenvorstand melden muss. Das wäre wohl kein durchschlagender Erfolg. Bei den Meldepflichten haben sich die Mitgliedsstaaten dann auch nicht wirklich engagiert. Das Zweite ist: Es gibt Rulings, die Beihilfenelemente beinhalten. Ich gebe dazu ein Beispiel: Jemand errichtet ein neues Werk und schafft 500 Arbeitsplätze, dafür muss er die ersten fünf Jahre keine Körperschaftsteuer zahlen. Das stellt eine staatliche Beihilfe dar und wird - nach Luxleaks - von den Kollegen in der Generaldirektion Wettbewerb geprüft. Was wir zudem machen ist, zu schauen, ob die Steuersysteme als solche einen schädlichen Wettbewerb beinhalten. Die Öffentlichkeit hat ein Interesse an diesen Umständen gefunden.

STANDARD: Zu den Beihilfefällen zählen unter anderen Amazon und Fiat. Zu welchem Ergebnis wird man da voraussichtlich kommen?

Zourek: Das kann ich nicht sagen, weil ich es nicht weiß. Das Verfahren ist vertraulich. Aber ich nehme an, dass es im Laufe dieses Jahres zu einer Feststellung kommen wird. Wenn es sich um eine unerlaubte Beihilfe handelt, besteht die Verpflichtung, sie zurückzufordern.

STANDARD: Zurück zu Ihren Bemühungen. Wo stehen Sie gerade bei den vorgeschlagenen Regelungen, die schädliche Steuerpraktiken eindämmen sollen?

Zourek: Das negativ betroffene Land kann sich gegen Steuervergünstigungen eines anderen Landes nur wehren, wenn es davon weiß. Daher sollen diese Vorabentscheidungen anderen Staaten zugänglich gemacht werden. Das soll über die gegenseitige Information der Steuerbehörden erfolgen - ähnlich wie bei den Informationen über Kapitalerträge. Wir haben vorgeschlagen, dass Rulings mit grenzüberschreitender Wirkung jedes Quartal in einer kurzen Form zur Verfügung gestellt werden. Wenn ein Staat negative Auswirkungen befürchtet, kann er nach Details fragen und allenfalls Gegenmaßnahmen ergreifen.

STANDARD: Welche Maßnahmen?

Zourek: Es geht immer nur um Sanktionen, die in dem Mitgliedsstaat vorgesehen sind. Die EU kann nur den Rahmen für die Informationserteilung setzen.

STANDARD: Wie wäre das bei folgendem Fall: Ein österreichischer Möbelhändler zahlt hohe Lizenzgebühren an eine Geschäftsstelle in Malta, weil Lizenzeinnahmen dort begünstigt sind. Was wäre hier konkret denkbar?

Zourek: Das hängt davon ab, welche Möglichkeiten Österreich hat, steuerlichen Missbrauch zu sanktionieren. Das ist in den Ländern unterschiedlich. Aber es besteht die Möglichkeit, überhöhte Zahlungen nicht als Betriebsausgabe zu akzeptieren.

STANDARD: Warum bedarf es da einer EU-Regelung? Die österreichische Finanz weiß ja von den Lizenzzahlungen nach Malta.

Zourek: Aber in vielen Fällen funktioniert das über mehrere Länder. Denken Sie nur an den Irish Double, über den solche Konstruktionen oft laufen. Das kann der österreichische Betriebsprüfer nicht wirklich beurteilen. Wir wollen mit dem Vorschlag bei Rulings mit grenzüberschreitender Wirkung die Transparenz erhöhen. Das Ziel ist: Dort, wo die Gewinne erzielt werden, soll auch die Steuer abgeführt werden.

STANDARD: Seit Ausbruch der Finanzkrise gab es zahlreiche Schritte gegen Steuervermeidung. Wie sieht Ihre Zwischenbilanz aus?

Zourek: Geteilt. Im Bereich von Finanzvermögen und Kapitalerträgen gab es große Fortschritte durch den automatischen Informationsaustausch. Das ist ein großer Erfolg, bei dem auch Österreich einen massiven Kulturwandel vollzogen hat. Davor ist das immer an Österreich und Luxemburg gescheitert. Etwas anders schaut es bei der Unternehmensbesteuerung aus. Da zählt Österreich zu den Ländern, die eine energische Vorgangsweise befürworten.

STANDARD: Apropos: Österreich hat mit den Stiftungen auch Zuckerln anzubieten, die nicht überall gern gesehen werden.

Zourek: Es gibt in Österreich einige Konstruktionen, die sehr vorteilhaft für Vermögende sind. Aber sie haben im Gegensatz zu anderen Konstruktionen den Vorteil, dass sie transparent sind. Und sie sind auch nicht auf individueller Basis zugeschnitten. Das ist für jedermann offen, Sie brauchen nur viel Geld und einen Notar. Da kann man darüber streiten, ob es gute oder schlechte Politik ist, aber es ist nichts, was heimlich geschieht. Auch das ist wahrscheinlich Gegenstand von Debatten zwischen Wolfgang Schäuble und Hans Jörg Schelling. (Andreas Schnauder, DER STANDARD, 16.4.2015)