Reift im Pöllauer Tal: die Hirsch-(Herbst-)Birne.

Foto: Michael Fischer/Tourismusverband Naturpark Pölla

Der Charme der Pöllauer Hirschbirne zeigt sich nicht gleich. Sie ist keine Essbirne. Im Mund verursacht sie einen pappigen Geschmack und ein leicht pelziges Gefühl. Auch lässt sie sich nicht gut lagern oder transportieren. Sobald sie auf dem Boden liegt, muss sie aufgeklaubt werden. Schnell wird sie innen weich und braun. Deshalb wird die Birne aus dem steirischen Pöllauer Tal verarbeitet: zu Saft gepresst, zu Most vergoren, zu Marmelade eingekocht, zu Edelbrand destilliert oder zur Kletze getrocknet. Das braune Innere ist dabei von Vorteil: Die Birne ist zuckersüß und hocharomatisch.

Dass sie und die häufig flüssigen Produkte, die aus ihr gemacht werden, jetzt die EU-Auszeichnung einer geschützten österreichischen Herkunft erhalten haben, erfüllt Marketiers und Agrarier mit Genugtuung. Viel zu lange wurden solche EU-Gütesiegel in Österreich links liegengelassen. Mit der Birne gibt es derzeit 15 Lebensmittel, die eine solche EU-Kennung haben. Auch Steirisches Kürbiskernöl, Tiroler Speck, Marchfeldspargel oder Wachauer Marille haben eine solche Marke. Andere EU-Länder waren viel eifriger: Italien hat 266 Spezialitäten geschützt, Frankreich 219.

Als Erklärung dafür muss, wie so oft, die Bürokratie herhalten. Neben dem federführenden Gesundheitsministerium sind noch Agrar- und Landwirtschaftsministerium involviert sowie das Patentamt. Und dann kommen noch die EU-Behörden dazu, die auch überzeugt werden müssen. Gut und gerne ein halbes Jahr lang wird in Brüssel geprüft, bevor Gütesiegel wie "geschützte Ursprungsbezeichnung" (g. U., die Hirschbirne erhielt diese Marke) oder "geschützte geografische Angabe" (g. g. A.) vergeben werden. Und da sind Problemfälle wie bei der Krainer Wurst noch gar nicht dabei. Um deren EU-Herkunftsgütesiegel ritterten Steirer und Slowenen.

In Brüssel wartet zurzeit die Steirische Käferbohne auf die Auszeichnung. Erwartet wird, dass im Rahmen von Handelsabkommen wie TTIP mit solchen Gütesiegeln Sicherheit beim Konsumenten vermittelt werden kann. Und dass dies immer wichtiger wird, im Inland ebenso wie beim Export. Die Hirschbirne jedenfalls hat es geschafft. Sie gehört zum Kreis so bekannter Produkte wie Parma-Schinken oder Nürnberger Marzipan. Dabei ist ihr Name ein bisschen irreführend. Hirschbirne bedeutet Herbstbirne, denn sie reift im Herbst (Hiascht) als letzte Birnensorte. (Johanna Ruzicka, DER STANDARD, 16.4.2015)