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Von echter Stabilität will der Währungsfonds weder beim internationalen Finanzsystem noch bei Europas Banken sprechen.

Foto: APA/Malte Christians

Zwei Schritte vorwärts, einer zurück: Nachdem der Internationale Währungsfonds (IWF) sich am Dienstag optimistisch gezeigt und die Wachstumsprognose für die Eurozone angehoben hatte, machte der Fonds am Mittwoch wieder mit einer Warnung auf sich aufmerksam. Nach Angaben des IWF ist das internationale Finanzsystem nämlich trotz der verstärkten Bemühungen der Aufseher heute alles andere als saniert. Im Gegenteil, die globalen Risiken haben wieder zugenommen, heißt es in dem "Global Financial Stability Report", dem Flaggschiffbericht des IWF, über das weltweite Finanzsystem.

So warnt der Fonds, dass sich die Qualität der Bankbilanzen in Europa weiter verschlechtert habe, wenn auch langsamer als in den vergangenen Jahren. Die Summe der faulen Kredite beläuft sich allein in den Büchern europäischer Banken auf 900 Milliarden Euro. Das entspricht beinahe dem Dreifachen der österreichischen Wirtschaftsleistung.

Der Währungsfonds sieht deshalb sogar den Erfolg der Interventionen der Europäischen Zentralbank (EZB) als gefährdet an. Zur Erklärung: Die EZB hat im März ihr umstrittenes Kaufprogramm von Staatsanleihen gestartet. Die EZB will im Rahmen dieses Quantitative Easing (QE) Staatsanleihen und andere Finanzpapiere im Wert von insgesamt 1,1 Billionen Euro bis zum September 2016 erwerben. Damit sollen die langfristigen Zinsen in der Eurozone gedrückt werden. Das würde die Kreditvergabe ankurbeln und die Konjunktur beleben, hofft die EZB. Ultimatives Ziel der Operation ist es, eine Deflation, also ein Absinken des Preisniveaus, zu verhindern.

Positive Signale

Laut IWF gibt es klare Anzeichen dafür, dass das "mutige" Programm der EZB funktionieren kann – und zwar trotz aller Kritik aus einigen Euroländern wie Deutschland und Österreich. So sind die Renditen für Staatspapiere deutlich zurückgegangen. Rund ein Drittel der insgesamt 2,4 Billionen ausständigen europäischen Staatsanleihen haben bereits eine negative Rendite. Sprich: Die Investoren zahlen in diesen Fällen sogar etwas drauf, um Staaten Geld borgen zu können. Die EZB hat also die Zinsen erfolgreich gedrückt. Laut Fonds hat auch eine Art Kapitalflucht eingesetzt.

Viele Investoren schichten wegen der immer niedrigeren Zinsen auf Staatspapiere ihre Portfolios um. Bis Ende des Jahres sollen allein Nicht-Banken 1,2 Billionen Euro aus dem gemeinsamen Währungsraum abziehen. Vor allem Pensionsfonds treten die Flucht an, zumeist in Richtung USA. Diese Kapitalflucht ist laut IWF aber nicht schlecht, solange sie sich nicht unkontrolliert beschleunigt. Denn der Abzug der Gelder schwächt den Euro, was die Exporteure stärkt und einer der erwünschten Nebeneffekte der EZB-Intervention ist.

Kreditvergabe kommt in Gang

Die Inflationserwartungen seien als Folge der EZB-Interventionen ebenfalls angestiegen, und auch gebe es erste Anzeichen dafür, dass die Kreditvergabe in Gang kommt. Allerdings fordert der IWF eine Art "QE plus", wenn die EZB langfristig erfolgreich sein will. Heißt was? Die Finanzaufsicht in Europa muss laut Währungsfonds verstärkt dafür sorgen, dass der Kehraus in den Bilanzen der Kreditinstitute beschleunigt wird.

Zu viele Banken halten Darlehen in den Büchern, bei denen sie wissen, dass die Schuldner kein Geld mehr zurückzahlen können. Wenn Banken diese Kredite aus ihren Bilanzen streichen, realisieren sie Verluste, was sie vermeiden wollen. Diese großen Altlasten könnten den Erfolg von QE verhindern, weil sie die Vergabe neuer Kredite erschweren.

Während die Probleme im Bankensektor bekannt sind, sieht der Währungsfonds eine neue Schwierigkeit herannahen: Versicherungen könnten in den kommenden Monaten zusätzlich unter Duck geraten. Sie leiden besonders unter dem niedrigen Zinsumfeld, weil ihre Einnahmen wegschmelzen, während ihre Ausgaben konstant bleiben. Zudem sei die Eigenkapitaldecke der Versicherungen schwach: Bleiben die Zinsen langfristig niedrig, könnte ein Viertel der Versicherungen in Europa die Kapitalvorgaben der Finanzaufseher unterschreiten. (András Szigetvari, derStandard.at, 15.4.2015)