"Mzungu!" Die Kinder am Rand der Buschpiste zwischen dem Flughafen Kilimandscharo und dem Örtchen Momella, gelegen in der Hochebene zwischen Kili und Mount Meru, freuen sich und winken, lachen, wenn sie "Bleichgesichter" sehen.

Unterwegs mit Mister Happy

Das geht über eine Stunde so auf der Rumpelstraße mit waschbeckentiefen Löchern und fußballgroßen Steinen. Bestimmt schickt Christine Wallner Erstlingen immer ihren vorsichtigsten Driver - in unserem Fall "Mister Happy".

Zumindest fetzen an uns einige Mopeds und Jeeps vorbei, hinterlassen uns in Staubwolken. Wir kommen aus dem kalten, grauen März-Wien und gewöhnen uns indes an das grelle Licht, an die 35 Grad auf 1500 Metern Höhe, lugen immer wieder zum Kilimandscharo, ob er sich uns nicht doch zeigen möchte aus den Wolkenkronen - er will nicht. Links und rechts warten die kleinen Maispflänzchen auf den Beginn der Regenzeit. Die Bougainvilleen schaffen riesige purpurne Blütenwellen. Die Rinder und Ziegen schauen gar nicht mehr auf, wenn etwas vorbeibrettert.

Man meint schon viel über diese Frau zu wissen, wenn man ihr Buch Mama Alama gelesen hat. Man kommt an und stellt fest: Man weiß nichts über diese Frau aus der Wiener Society, einst Gattin von Ex-Casinos-General Leo Wallner, die jahrelang an einer lebensbedrohlichen Autoimmunerkrankung gelitten hat und sich "durch Selbsterfahrung, auch durch Massai-Medizin", geheilt hat, zwei Kinder großgezogen und sich dann scheiden hat lassen.

Jahrelanger Weg

Mit 38 startete die Juristin ins Medizinstudium, schloss mit Auszeichnung ab und vertiefte sich in traditionelle Heilkünste, begann mit Reisen. Afrika habe sie schon als Kind gerufen, mit 60 ist sie schließlich dort angekommen, wo sie jetzt lebt.

Das Schwierige an Visionen sei, so tief zu gehen, dass es richtig wehtut - dann erst könnten sie wahr werden, sagt sie über ihren jahrelangen Weg in ein komplett anderes Leben.

Diese Bruchstücke eines völligen Lebenschange sagen wenig, eigentlich nichts aus über die Frau, wie sie hier und jetzt vor einem steht, unwiderstehlich ansteckend lacht und vom Fortkommen ihrer Projekte Africa Amini Alama (Afrika, ich glaube an dich) erzählt. Ja, sie könne gut reden, attestiert sie sich. Umsetzungsstärke braucht sie nicht zu erwähnen, die 27 Projekte sind ja da.

Im (auch als Spendenvehikel gut beworbenen) Buch über ihr Leben fühlt man längst nicht das große Vergnügen, kaum etwas vom Wie - wie diese Frau in diese Savanne gehört, wenn sie aus ihrem Ein-Raum-Lehmhäuschen kommt und ihre Gäste begrüßt. Ihre vier Hunde entscheiden (wie Hunde das immer tun), wie passend der Besuch tatsächlich ist, prüfen, legen sich zur Agave.

Es gibt zur Ankunft - hallo, Massai-Land - "Blut": einen Cocktail aus Hibiskussaft, Limette und Ingwer. Housekeeper "Peace" wartet im Hintergrund, Christine Wallner zeigt die Unterkünfte: vom Zelt mit Außenklo bis zum Haus am höchsten Punkt der Hillsite mit unbeschreiblichem Blick auf die Weite der Savanne und der Krönung ihrer touristischen Angebote, der Lodge. Ein ziemlicher Luxusplatz mit Pool, mit Cuisine, wie es eben zu sein hat, wenn Afrika solcherart erlebt werden will. Was sie aus ihrem "alten Leben" aus Wien mitgebracht hat - etwa einige Jugendstilgläser -, wirkt wie ein koloniales Relikt. Sie lacht und sagt: "Zwei Drittel sind eh schon kaputt von diesen Sachen ..." Ein paar persönliche Stücke aus ihrem Leben im Norden hat sie aber überall platziert.

Nur auf Philanthropie und Spenden zu setzen ist für die Christine Wallner nicht nachhaltig genug - Profite aus sanftem Tourismus sollen das Soziale tragen.

Im Gegensatz des Kontinents

Ein kurzes Stocken beim Gang durch die Lodge-Anlage, an der sich im Kleinen dieser große Gegensatz des Kontinents zeigt, kommentiert sie mit: "Wenn ich zu 80 Prozent ausgelastet bin, dann tragen sich alle meine Sozialprojekte nachhaltig." Ja, es ist für sie nicht nur okay, sondern sozialunternehmerischer Plan, mit der Linken zu nehmen, um mit der Rechten geben zu können. Und alle touristisch erzielten Profite sofort ins Soziale zu investieren. Auch dafür wird sie hier angesprochen als ehrwürdige Großmutter, als "weiße Heilerin".

"Ich bin hier Gast", sagt Christine Wallner. Ein kleines, unbedeutendes Leben sei es hier, aber man könne mit 70 Jahren Dinge tun, "die bei uns niemals gehen". Hier sei der Platz, wo sie zeigen will, "wie wir miteinander leben sollten, eine Zelle, die ausstrahlt, zur Verbindung inspiriert. Das ist nicht so weit weg von jeder Wirklichkeit." Ihr Wunsch: Alle bringen sich ein für ein besseres Miteinander. "Es gibt hier nichts, was man nicht brauchen kann, keine Idee, keine Fähigkeit. Wir müssen an Märchen glauben. Das macht gesund."

Das Schlimmste, sagt sie, sei, "nichts mehr zu fühlen. Europa ist auf diesem Holzweg. Wir sind so geschützt und so versichert, dass wir nicht mehr lieben können."

Gekommen ist sie vor sieben Jahren nach Ngare Nanyuki, einer Savanne mit Sumpfanteil, die Konzerne wohl als "inutiles" Land qualifizieren und die sich deswegen ziemlich unberührt - wenngleich abgeholzt - erhalten hat. Mittlerweile ist Wasser eingeleitet für über 3000 Menschen. Fast 600 Schulkinder von der Primary bis zur Berufsschule werden unterrichtet "in Englisch, mit Suaheli kann man die Welt schwer erobern", und sie bekommen Essen, werden versorgt.

Es gibt einen Kindergarten, eine Sportschule, ein Waisenhaus, eine Schneiderei und 7,5 Hektar Farmland. Einige Tausend Patienten konnte sie gemeinsam mit ihrer Tochter Cornelia und lokalen wie externen Mitarbeitern und Fachleuten im Gesundheitszentrum im Vorjahr versorgen. 72 Afrikaner sind in den Projekten angestellt, zehn werden von der tansanischen Regierung bezahlt. Man benötige für diese Kooperationen viel "psychologisches Feingefühl" - bei dieser Erklärung belässt sie es.

Ja, es rumpelt oft in den Projekten, sagt sie. Aber der "Pendelschlag des Kontinents", wie der deutsche Afrika-Korrespondent Bartholomäus Grill schreibt, zwischen "abscheulich und traumschön, gewalttätig und friedfertig, bösartig und gutmütig, lebensprall und selbstzerstörerisch, geheimnisvoll und banal" ist hier in Tansania mild. Seuchen-, Umwelt- und Drogenprobleme sind nicht unsichtbar, aber breiten sich nicht wie eine große Decke über alles. Ja, auch Gier ist entstanden, und Christine Wallner beschäftigt mittlerweile 18 Watchmen.

Aber sie handelt das, jeden Tag sichtlich voller Freude. Christine Wallner kann selbst am Steuer sitzen und ordentlich über die Rumpelstraßen donnern, das tut sie auch recht gerne in ihrem afrikanischen "Dirndl" aus der Africa-Amini-Alama-Schneiderei. "Du verlernst hier sehr schnell das Selbstmitleid, es steigt dir auch keiner drauf ein. Versuche mal einem Afrikaner als Weißer zu vermitteln, dass es dir schlechtgeht. Der glaubt, du bist total irre." So wurde vermutlich auch die Idee geboren, ihre Gästeunterkünfte als Burnout-Prophylaxe für Sabbaticals zu vermieten. Das läuft offenbar recht gut an. (Karin Bauer aus Momella, DER STANDARD, 11./12.4.2015)

Gehört auch dazu: aus Reifenresten gemachtes Schuhwerk der Massai-Männer.