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In Deutschland sind im Gefolge der Schifffahrtkrise mehr als 450 Schiffsfonds in die Pleite gerutscht, mindestens noch einmal so viele sind unter Wasser. Deutsche Anleger haben rund 30 Mrd. Euro in geschlossene Schiffsfonds investiert.

Foto: APA/Bockwoldt

Wien - Der Verein für Konsumenteninformation (VKI) schießt sich in Sachen Schiffs- und Hollandfonds weiter auf das Hamburger Emissionshaus MPC ein. Nachdem die Konsumentenschützer im Vorjahr bereits eine Strafanzeige in Wien eingebracht haben, ziehen sie nun in Deutschland gegen MPC vor Gericht. In den kommenden Tagen soll die erste Sammelklage eingebracht werden.

Der Verein für Konsumenteninformation (VKI) vertritt – im Auftrag des Sozialministeriums – die Interessen von rund 2000 Anlegern, die sich durch den Erwerb von Fondsbeteiligungen an Immobilien-, Schiffs- und anderen geschlossenen Fonds der geschädigt sehen.

Es ist dies das erste Mal, dass der VKI Ansprüche von Konsumenten im Ausland geltend macht. In Österreich gebe es nämlich noch immer keine geeignete Regelung für Massenverfahren - trotz einstimmiger Beschlussfassung im Justizausschuss im Jahre 2007. Für VKI-Rechtexperte Peter Kolba ist das "eine Schande für die österreichische Justiz", wie er am Montag in einer Aussendung mitteilte.

In Deutschland hingegen gebe es mit dem Kapitalanleger-Musterverfahrensgesetz (KapMuG) ein sinnvolles Massenverfahren für geschädigte Anleger. Ein solches will der VKI nun beim Landgericht Hamburg in Gang bringen. Zunächst geht es um den Hollandfonds 47 von MPC. 12 Kläger begehren die Einleitung eines Musterverfahrens, der Streitwert liegt bei 180.000 Euro. "Wenn das Gericht dem zustimmt, können sich weitere Verbraucher dem Verfahren anschließen", so der VKI. Das Gericht klärt musterhaft alle gemeinsamen Sach- und Rechtsfragen. Bekommen die Musterkläger recht, stehen die Chancen laut VKI gut, dass alle Anmelder ohne weitere Verfahrensführung Geld bekommen.

Weitere Musterklagen

Danach plant der VKI weitere Musterklagen zu den Hollandfonds 43, 44 und 50 bis 68 sowie zu den Schiffsfonds Reefer Flotte I und II. Die Konsumentenschützer arbeiten mit einem Wiener und einem Berliner Anwalt zusammen, finanziert wird die Aktion von einem deutschen Prozesskostenfinanzierer, der im Erfolgsfall einen Teil der erstrittenen Summe bekommt.

Wenn die KapMuG-Klagen zugelassen werden, können sich die betroffenen Anleger den Verfahren anschließen und somit ihre Forderungen gegen Verjährung absichern. Wer an der Sammelklagsaktion teilnehmen will, muss aber zunächst seine Ansprüche außergerichtlich geltend machen.

"Dazu ist es notwendig, dass man seine Ansprüche gegenüber der TVP - das ist die MPC-Treuhandgesellschaft, die als Vertragspartnerin der Anleger fungierte - geltend macht und gleichzeitig die MPC auffordert, diese Forderungen zu besichern", so der VKI. Wer das nicht selbst tun will, kann sich an VKI-Anwalt Sebastian Schumacher wenden, er hat solche Ansprüche schon in mehr als 350 Fällen geltend gemacht. Der Rechtsvertreter verlangt dafür ein Pauschalhonorar. Die Anwaltsbriefe müssen bis spätestens 19. Juni bei MPC und TVP einlangen.

Privatbeteiligte

Weiters empfiehlt der VKI, sich dem laufenden Strafverfahren gegen MPC bei der Wiener Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) als Privatbeteiligte anzuschließen. Dies geht online über dieVKI-Homepage und kostet 150 Euro. 2.000 Personen, die mit MPC-Produkten zusammen rund 50 Mio. Euro verloren und sich an den VKI gewandt haben, haben das bereits getan. Die Ermittler führen in der Causa mehrere Beschuldigte, es geht um den Verdacht des schweren Betrugs, wie ein WKStA-Sprecher zur APA sagte.

Die MPC Münchmeyer & Petersen Capital AG aus Hamburg hat in den Jahren 2002 bis 2008 in großem Stil geschlossene Fonds in Österreich vertrieben. Hauptsächlich wurden die Produkte von Banken verkauft, vor allem die Raiffeisenlandesbank Niederösterreich-Wien soll betroffen sein. Ein konkretes Volumen gab die RLB bisher nicht bekannt. Auch andere Banken, die MPC-Fonds verkauft haben, etwa einzelne Volksbanken oder die BKS Bank, hielten sich zuletzt bedeckt und verwiesen auf Vergleiche, die sie mit dem VKI in der Vergangenheit geschlossen haben. Insgesamt haben Schiffs- und Hollandfondsanleger so 10 Mio. Euro zurückbekommen.

Insolvenzverfahren

Der VKI kritisiert das Geschäftsmodell von Anbietern geschlossener Fonds massiv und ortet mangelnde Information in den Verkaufsprospekten und Fehlberatungen. Die Kunden seien weder über die hohen "Weichkosten" noch über teure Zwischenverkäufe bei Hollandfonds aufgeklärt worden. Auch das hohe Risiko sei im Dunkeln geblieben: Die Anleger hätten angenommen, dass es sich bei den Ausschüttungen um Gewinne bzw. Zinsen handle. Tatsächlich waren es aber Rückzahlungen des Eigenkapitals, die spätestens im Insolvenzfall zurückgefordert werden können.

Genau das droht jetzt jenen Anlegern, die via Raiffeisen den MPC-Hollandfonds 51 gezeichnet haben. Über diesen wurde am 31. März das Insolvenzverfahren eröffnet. 2012 war bereits der ebenfalls von der RLB NÖ-Wien verkaufte MPC-Schiffsfonds Merkur Sky pleitegegangen.

Daneben gerieten aber auch zahlreiche andere geschlossene Fonds unter Wasser. Den Anlegern droht der Totalverlust. "Den Hollandfonds geht es schlecht; die Aussichten, das einbezahlte Kapital jemals zurückzuerhalten, sind gering", so Kolba. Ob daran der Immobilienmarkt in Holland oder das Konzept der Fonds Schuld trage, werde zu klären sein.

450 Schiffonds in Deutschland pleite

In Deutschland sind im Gefolge der Schifffahrtkrise mehr als 450 Schiffsfonds in die Pleite gerutscht, mindestens noch einmal so viele sind unter Wasser. Deutsche Anleger haben rund 30 Mrd. Euro in geschlossene Schiffsfonds investiert; zu Spitzenzeiten gehörte ihnen die Hälfte der weltweiten Containerflotte. Geschätzte 10 Mrd. Euro sind jetzt aber futsch. Auch die Aktien von Emissionshäusern wie MPC, HCI oder Lloyds Fonds sind heute fast nichts mehr wert. Aus Österreich flossen rund 700 Mio. Euro an Anlegergeldern in Frachter und Containerschiffe.

Auch hierzulande hat das Thema geschlossene Fonds ein gerichtliches Nachspiel. Am 20. April wird am Wiener Handelsgericht (HG) eine VKI-Verbandsklage gegen die MPC-Tochter TVP wegen aus VKI-Sicht gesetzwidriger Klauseln verhandelt, und am 23. April muss die Hypo Steiermark dem Gericht Rede und Antwort stehen. Die Hypo Steiermark war die einzige Bank, die sich mit dem VKI nicht vergleichen wollte - laut Kolba waren die Steirer nicht bereit, einen Verjährungsverzicht abzugeben. Daher haben die Konsumentenschützer eine Klage eingebracht. (APA/red, derStandard.at, 13.4.2015)