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Raúl Castro schlägt ein neues Kapitel Kubas auf.

Foto: AP Photo/Pablo Martinez Monsivais

"Obama ist ein aufrichtiger Politiker und ein guter Mensch." Mit diesen Worten überraschte Kubas Staatschef Raúl Castro die Teilnehmer des Amerika-Gipfels in Panama. Zugleich warnte er: Dialog ja, aber die Differenzen seien enorm.

Viele Kapitel, die der US-Präsident nur aus den Geschichtsbüchern kennt, hat der knapp 84-jährige Kubaner selbst erlebt. Denn Raúl war von Anfang an immer an Fidel Castros Seite, stand aber stets im Schatten seines älteren Bruders, den er 2006 an der Spitze des Staates ablöste, nachdem Fidel schwer erkrankt war. Weder hat er Fidels Charisma noch dessen Redegewalt oder imposante Statur. Aber Fidel vertraut seinem Bruder blind. Zusammen gingen sie bei den Jesuiten zur Schule, zusammen kurbelten sie die Revolution an, zusammen überlebten sie den Angriff auf die Moncada-Kaserne im Juli 1953, zusammen gingen sie ins Exil nach Mexiko, zusammen übernahmen sie 1959 nach dem Triumph der Revolution die Kontrolle, zusammen wehrten sie 1962 die US-Invasion in der Schweinebucht ab.

Schon kurz nach seiner Machtübernahme betraute Fidel Castro seinen Bruder mit dem Schlüsselposten des Verteidigungsministers. Fidel war die Lichtgestalt, Raúl sorgte hinter den Kulissen für Linientreue und baute ein gefürchtetes Netz von Spitzeln auf.

Familienmensch

Privat gilt Raúl als jovialer Familienmensch, der gerne trinkt, feiert und Witze macht. Während Fidel zahlreiche Affären hatte, präsentierte sich Raúl gerne als Vorzeige-Ehemann und Familienvater. Er heiratete 1959 die Parteigenossin und Frauenbeauftragte Vilma Espin, hat mehrere Kinder und Enkel. Als Vilma vor ein paar Jahren starb, vergoss Raúl öffentlich Tränen.

Schon als Wirtschaftsstudent, lange vor der Revolution, gehörte Raúl der kommunistischen Jugendorganisation an, während Fidel sich erst 1961 zum Sozialismus bekannte. Bei der Verteidigung seiner Ideologie zeigte sich Raúl durchaus flexibel. So setzte er nach dem Kollaps der Sowjetunion Bauernmärkte durch, auf denen Landwirte erstmals relativ frei ihre Produkte verkaufen durften.

Pluralismus und Meinungsfreiheit sind ihm bis heute suspekt als subversive Tricks des Imperialismus. Die Dissidenten dürfen jetzt zwar reisen, werden aber weiterhin bespitzelt, verhaftet, drangsaliert. Immerhin ein Zugeständnis machte er: Auf dem 6. Parteikongress verkündete Raúl Castro, dies sei sein letztes Mandat an der Staatsspitze. 2018 müssten dann Jüngere ran. (Sandra Weiss, DER STANDARD, 13.4.2015)