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Hillary Clinton will die erste Präsidentin der Vereinigten Staaten werden.

Foto: AP/Hillary For America

Hillary Clinton 2.0, der Neustart, die Neuerfindung. Wie das aussehen soll, hat sie in einem Zwei-Minuten-Video erkennen lassen, dem ersten offiziellen ihrer Kampagne, in Umlauf gebracht via Twitter. Junge Mütter lachen, eine Fabrikhalle ist zu sehen, ein afroamerikanisches Pärchen freut sich aufs erste Kind. Eine Hobbygärtnerin erzählt von ihren Tomaten, jemand spricht Spanisch, zwei schwule Männer laufen durchs Bild und lassen wissen, dass sie demnächst heiraten wollen. Ein Querschnitt Amerikas, alles betont leicht, locker und optimistisch, wie der Alltagston in diesem Land eben ist. Zum Schluss sagt Clinton, dass sie antreten wird: "Ich kandidiere für das Präsidentenamt." Zwar hätten sich die Amerikaner zurückgekämpft aus wirtschaftlich schwierigen Zeiten, aber noch immer seien jene ganz oben klar im Vorteil. "Durchschnittsamerikaner brauchen einen Champion. Und ich will dieser Champion sein."

Natürlich sind das Sätze, an denen ihr Beraterstab lange gefeilt haben dürfte, von den Bildern ganz zu schweigen. Nichts Spontanes, eher sorgfältig geplantes Image-Polieren. Und wenn ihr junger, Twitter-affiner Wahlkampfmanager Robby Mook in einem Memorandum verspricht, dass sich ihr Assistententeam diesmal als große Familie verstehe, dann mag das zwar übertrieben klingen, aber es ist eben auch eine Lehre aus den Turbulenzen des Jahres 2008. Damals tobte heftiger Streit unter ihren Getreuen in "Hillaryland", nicht nur hinter, sondern auch vor den Kulissen. Die Kandidatin selber wirkte gereizt, irritiert und verärgert über den Senkrechtstarter Barack Obama, der sich einen Teufel um die Parteihierarchie scherte und es wagte, sie vom Favoritenthron zu stoßen. Wohlwollende Kommentatoren sprachen von der Eisernen Lady, weil sie tapfer weiterkämpfte, als sie im Vorwahlduell schon keine Chance mehr hatte. Weniger wohlwollende rieten dringend zu Lockerungsübungen.

Gezähmter Ehrgeiz

Es scheint, als habe sie den Tipp beherzigt. Nichts soll den Eindruck erwecken, als gehe es ihr einzig darum, die letzte Sprosse der Karriereleiter zu erklimmen. "Ich bin dabei, um zu gewinnen", das waren die Worte, mit denen sie 2007 ihre Bewerbung verkündete. Werbeprofis sagten ihr später, es habe zu sehr nach einem Egotrip geklungen. Nichts, soll sie ihrem Team laut der Washingtoner Insider-Plattform "Politico" eingeschärft haben, soll diesmal so aussehen, als ginge es vor allem um sie. Als greife sie nach einem Amt, von dem sie glaube, dass sie es sich mit dem Schweiß vieler Jahre verdient habe. Vielmehr dreht sich alles um die Mittelschichten, als deren Champion sich Clinton versteht.

Als Erstes wird die 67-Jährige nach Iowa fahren, es ist ein Zeichen demonstrativer Bescheidenheit vor dem Souverän. In Iowa hatte sie im Januar 2008 ihre schwerste Niederlage erlitten, als sie bei den Vorwahlen hinter Barack Obama und John Edwards nur auf dem dritten Platz landete. Beim zweiten Anlauf will sie direkter auf die Leute zugehen, überm Rührei in Imbisslokalen das Gespräch suchen, statt vorzugsweise in großen Sälen zu reden. In kleiner Runde, beobachten alle, die sie kennen, sei sie deutlich besser. Dort könne man spüren, wie witzig und locker sie zu plaudern verstehe, während sie auf großer Bühne oftmals verkrampfe.

"Desaster" bei Pressekonferenz zu E-Mail-Affäre

Letzteres hat sie erst im März demonstriert. Da stand sie im New Yorker Hauptquartier der Vereinten Nationen vor einem Wald aus Fernsehkameras und versuchte zu begründen, warum sie ihre E-Mails als Außenministerin über einen privaten Server in ihrem Haus in Chappaqua laufen ließ und noch dazu etliche im Nachhinein löschte. Kritiker sprachen von einem Desaster. "Sie hat Vorgestanztes vom Blatt abgelesen, als wäre sie eine verunsicherte High-School-Schülerin", spottete Frank Luntz, ein republikanischer PR-Stratege.

Der Senator Chuck Schumer, ein New Yorker Demokrat, charakterisiert sie als "am schwersten zu durchschauende Person, die ich je getroffen habe". Nur: Hätte er ihr Leben geführt, wäre er wahrscheinlich genauso, gibt Schumer zu bedenken. Das Trauma der Monica-Lewinsky-Affäre ließ sie noch vorsichtiger werden, als sie es, vom Naturell her eher introvertiert, vorher schon war. "Hillary war natürlich stocksauer", zitiert Daniel Halper, Autor einer kritischen Clinton-Biografie, einen Berater aus jener Zeit. "Aber nicht, weil Bill Sex mit einer anderen hatte. Sondern weil er sich erwischen ließ und sie hineingezogen wurde, in aller Öffentlichkeit."

Wie auch immer, in den eigenen Reihen scheint sie vorerst unangefochten. Auch Obama versäumte nicht, ihr Lorbeerkränze zu flechten, obwohl er beim Amerika-Gipfel in Panama voll damit beschäftigt war, das historische Tauwetter mit Kuba zu zelebrieren. "Sie war eine beeindruckende Kandidatin, sie war eine herausragende Außenministerin, sie ist meine Freundin", meldete er sich pflichtschuldig zu Wort. "Ich glaube, sie wäre eine exzellente Präsidentin."

Dabei hat sie gerade einiges getan, um sich von ihm zu distanzieren. Dass sie in Syrien früh für eine Bewaffnung moderater Rebellen plädierte, während der Staatschef zögerte, hat sie längst an die große Glocke gehängt. Vor schwierigen Tagen im Verhältnis zu Wladimir Putin habe sie schon gewarnt, schrieb sie in "Hard Choices", als "nicht jeder im Weißen Haus meine relativ harte Analyse teilte". Das atomare Rahmenabkommen mit dem Iran, von Obamas Riege als Meilenstein gefeiert, bedenkt sie mit eher verhaltenem Applaus. Kurz gesagt, unter linken Demokraten gibt es Stimmen, die sie dem Lager der Falken zurechnen. (Frank Herrmann aus Washington, derStandard.at, 12.4.2015)