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Das Popfest auf dem Karlplatz gilt als Erfolgsmodell für die Präsentation heimischer Popmusik. Vom Lebensgefühl her passt alles, die Musik könnte etwas lauter sein.

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Seit 2001 Stadtrat für Kultur und Wissenschaft: Andreas Mailath-Pokorny.

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STANDARD: Heimische Popbands wie Bilderbuch und Wanda boomen gerade in Deutschland. Welche gefällt Ihnen besser?

Andreas Mailath-Pokorny: Das ist tricky, aber durch einen besonderen Bezug zu meiner Studentenstadt Bologna habe ich natürlich einen eigenen Zugang zu Wanda. Es hat Qualität, und trotzdem kommt’s nicht schwer daher.

STANDARD: Wie erklären Sie sich dieses rege Interesse an heimischer Popmusik?

Mailath-Pokorny: Weil sie gut ist. Gute Musik überlebt und wird immer Leute ansprechen. Mit 55 erlebe ich jetzt schon zum vermehrten Mal, dass ich Musik und die Gefühle, die mir geläufig sind, mit einer jüngeren Generation teile. Zum Beispiel bei der Wiederaufnahme dieser Austro-Poplieder von Molden und Nino – da ertappte ich mich in der Arena dabei, wie ich reflexhaft mitgesungen habe.

STANDARD: Grundsatzfrage: Ambros oder Danzer?

Mailath-Pokorny: Das ist wie Beatles oder Rolling Stones. Das kann man ernsthaft nie beantworten. Ich lade mir gerade CDs vom Danzer herunter, weil es da so viel zu entdecken gibt. Ambros habe ich ohnedies bis zum Exzess gehört. Heute würde ich mir ernsthaft Sorgen machen, wenn sich einer meiner Söhne auf der Couch Hoffnungslos reinziehen würde. Das hat schon eine negative Kraft. Aber ich hab’s auch überlebt.

STANDARD: Das Rote Wien war damals ja sehr grau.

Mailath-Pokorny: Das empfand ich als Junger nicht so, aber es wird schon stimmen, dass heute alles schöner hergerichtet ist. Wenn man sich als Teenager dem Weltschmerz hingegeben hat, hat man das schon sehr gelebt und die Texte auswendig gekonnt. Interessant, dass das auf eine besondere Weise wiederkehrt. Es scheint eine Qualität zu besitzen, die so lange überlebt.

STANDARD: Das Popfest auf dem Karlsplatz ist ein populäres Format für heimischen Pop, demnächst wird erstmals das Electric Spring im Museumsquartier stattfinden. Gibt es bezüglich der Popkultur eine Strategie der Stadt, oder lässt man den Zufall Regie führen?

Mailath-Pokorny: Das Popfest ist aus mehreren Ideen entstanden: den Karlsplatz als Kunstplatz bespielen, ihn als reinen Verkehrsknotenpunkt ablösen. Zeitgleich sind die klassischen Tonträgermedien verschwunden, Liveauftritte wurden wichtiger. Dem haben wir Rechnung getragen.

STANDARD: Mit dem Electric Spring kopiert man sich nun selbst.

Mailath-Pokorny: Das Popfest war ein Versuch, der gelungen ist, weil es authentisch war. Das ist gewachsen und hat eine Nische gefüllt, die uns nicht so bewusst war. Das Electric Spring ist, wenn man will, ein bisserl abgekupfert vom Erfolgsformat Popfest.

STANDARD: Und es überschneidet sich zeitlich mit dem ähnlich gelagerten Soundframe.

Mailath-Pokorny: Das ist ein kleines Unglück, aber ich glaube nicht, dass es eine Konkurrenz ist. Das sind Kinderkrankheiten. Das Donaufestival in Krems hat auch über das Popfest gejammert. Electric Spring ist aber sicher das breitere Format, Soundframe hat sein Publikum. Wie ich überhaupt merke, dass da die Nachfrage noch nicht gesättigt ist.

STANDARD: Woran?

Mailath-Pokorny: Wien wächst. Und zwar vorzugsweise durch junge Menschen. 30.000 waren es im Vorjahr, die zugezogen sind. Wien ist heute das jüngste Bundesland Österreichs, vor 15 Jahren war es noch das älteste. Die Anzahl der Clubs hat sich in den letzten Jahren fast verdoppelt.

STANDARD: Jetzt gibt es das Festival Rock in Vienna auf der Donauinsel. Warum lässt man da ein fremdes Syndikat ran, anstatt etwas Eigenes zu machen?

Mailath-Pokorny: Wenn man meint, die Donauinsel solle der Ort für den breiteren Geschmack oder härteren Rock sein und die Innenstadt eher subtile Dinge präsentieren, dann halte ich das für sinnvoll.

STANDARD: Es heißt, gäbe es auf der Donauinsel ein Festival, ginge niemand mehr aufs Donauinselfest. Das ist ja Unfug.

Mailath-Pokorny: Gerade was Pop und Rock anbelangt, sitze ich ja nicht hier und überlege mir, das auch zu organisieren.

STANDARD: Warum nicht?

Mailath-Pokorny: Weil ich’s nicht könnte. Das muss wachsen. Wenn ich das Gefühl habe, da möchte wer etwas machen, kann ich tätig werden, Dinge zusammenführen, allenfalls fördern. Aber diese Nachfrage nach etwas auf der Donauinsel habe ich noch nicht ausgemacht. Es gibt aber sicher noch viele Locations in Wien, die so was vertragen könnten. Der Donaupark, der Kurpark Oberlaa …

STANDARD: Aber man könnte nach Vorbild Primavera-Festival in Barcelona was Eigenes versuchen. Das hat klein angefangen und gilt als eines der besten Festivals Europas.

Mailath-Pokorny: Wir haben ja kein Problem, junges Publikum nach Wien zu bringen. Was ich vonseiten der Kultur machen kann, ist, das Klima zu schaffen, dass man vielfältige Plattformen bieten kann. Wien hat das Donauinselfest, da werden wir nicht noch was anderes Riesiges danebensetzen. Wir bieten Spezifischeres an. Ich erwarte mir auch von den Wiener Festwochen in Zukunft, zeitgenössische Musik zu reflektieren.

STANDARD: So etwas wie das Donaufestival würde Wien gut anstehen.

Mailath-Pokorny: Darum habe ich ja den Leiter nach Wien geholt.

STANDARD: Das Festwochenprogramm ist aber schon anders gestreut als das des Donaufestivals.

Mailath-Pokorny: Warten wir das erste Festwochenprogramm ab. Beim Donaufestival habe ich mir immer gedacht, das wäre das Publikum, das ich gerne in Wien hätte. Insofern erhoffe ich mir von einem großen Festival einer Stadt, dass es einen Turnaround des Angebots gibt. Es geht um ein Rausgehen aus den Tempeln, um ungewöhnliche Orte der Stadt einzubeziehen. Das wird sicher eine Bereicherung für die Popkultur Wiens.

STANDARD: In der fehlt immer noch eine 5000er-Halle.

Mailath-Pokorny: Stimmt. Aber angesichts der bestehenden muss man schauen, dass man die bestmöglich bespielt. Das ist auch eine Geldfrage.

STANDARD: Apropos bestens bespielt: Die Szene Wien ist geworden, wovor alle bei der Übernahme durch Muff Sopper gewarnt haben. Ein abgerockter Vorstadtschuppen mit einseitigem Programm. Da lässt man einen einstigen Player unter den Livelocations unter städtischem Schutz programmatisch versandeln.

Mailath-Pokorny: Das sehe ich weniger kritisch. Wir haben damals ja sogar einen Beirat eingesetzt, der beim Programm helfen soll.

STANDARD: Das hat nicht viel genutzt.

Mailath-Pokorny: Man muss sich das anschauen, was da draus geworden ist. Umgekehrt muss man sagen, womit bespielt man diesen Ort so, dass er keinen oder nur wenig Zuschuss braucht? Aber es ist sicher der Zeitpunkt gekommen, das einmal zu evaluieren. Ich muss ehrlich gestehen, ich war länger nicht dort.

STANDARD: Ein Schicksal, das Sie mit vielen teilen.

Mailath-Pokorny: Wie gesagt, wir werden uns das anschauen.

STANDARD: Heimische Jazzer haben letztes Jahr einen offenen Brief verfasst, in dem sie verlangen, dass ihr Tun vom Wiener Jazzfest abgebildet wird. Wie sieht es da verständnismäßig aus?

Mailath-Pokorny: Wir haben uns angeschaut, wie viele rein kommerzielle Programmpunkte wohl auch ohne das Jazzfest nach Wien kommen würden, weil sie sowieso auf Tour sind. Ich habe da eine Bewertung vorgenommen, und wir haben das Jazzfest gekürzt, auf 250.000. Umgekehrt hat das Jazzfest ein Alleinstellungsmerkmal. Selbst dort, wo es mit Jazz nachweislich nichts zu tun hat, hat die Bespielung der Staatsoper einen gewissen Wert für Wien. Was Jazz anbelangt, fördern wir schwerpunktmäßig Lokale, und da insbesondere das Porgy & Bess.

STANDARD: Dem ist der Hauptsponsor verlorengegangen.

Mailath-Pokorny: Gleichzeitig höre ich erfreulicherweise, dass der Bund sich stärker engagiert.

STANDARD: Was, wenn nicht?

Mailath-Pokorny: Gehen wir einmal davon aus. (Karl Fluch, DER STANDARD, 11./12.4.2015)