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Gamal Abdul Nasser (1954-70) und Abdul Fattah al-Sisi (seit 2014): Ägypten die Stellung in der arabischen Welt geben, die es verdient.

Foto: REUTERS/Asmaa Waguih

Gamal Abdul Nasser pflegte später mit einem Quäntchen Galgenhumor zu klagen, dass er ein Bataillon geschickt, aber 70.000 Soldaten gebraucht habe, um das Bataillon zu halten. Ende September 1962, wenige Tage nachdem eine Gruppe von Offizieren die Macht im Jemen (Nordjemen) ergriffen und den letzten zaiditischen Herrscher gestürzt hatte – Mohammed al-Badr hielt sich nur wenige Tage, nachdem er die Nachfolge seines verstorbenen Vaters Ahmed bin Yahya angetreten war –, schickte Nasser dem Putschführer Abdallah al-Sallal Militärberater, Ausbildner und Gerät zur Unterstützung. Noch vor Jahresende 1962 waren es 8000 Mann. Und so ging es weiter: Bis 1965 kämpften 70.000 ägyptische Soldaten im Jemen.

Daher kommt das Bild vom Jemen als "ägyptisches Vietnam", das nicht nur ideologisch, sondern auch politisch nicht stimmt: Denn letztlich setzten sich die ägyptisch-gestützten Republikaner – wenngleich nicht Sallal – gegen die Zaiditen durch.

Auch die Huthis, die heute im Jemen nach der Macht greifen und von einer saudisch-geführten Allianz unter Beteiligung Ägyptens bekämpft werden, sind ein zaiditischer Clan: Die Zaiditen sind eine schiitische Minderheit, die dogmatisch den Zwölferschiiten im Iran eigentlich nicht viel näher stehen als den Sunniten. In Zeiten des konfessionellen Wahnsinns in der islamischen Welt sind sie aber schiitisch genug.

Nach 1962 und dem Ende des Bürgerkriegs blieben jene Zaiditen, die ihrem Imam – ein sowohl weltlicher und göttlicher Herrscher – nachtrauerten, im nördlichen Saada isoliert. Politische und wirtschaftliche Marginalisierung der Provinz in einem schwachen, armen und in einen Nord-Süd-Konflikt verstrickten Staat, der wachsende wahhabitische Druck in der Region, der Politikwechsel, der den Jemen nach 9/11 zum Unterstützer des US-amerikanischen "War on Terror" machte, und schließlich die Verwerfungen des Arabischen Frühlings: Das alles führte dazu, dass die Zaiditen rebellierten. Dass der Aufstand 2014 zur nationalen Bewegung mutierte, wurde durch die Allianz mit dem 2012 gestürzten Präsidenten Ali Abdullah Saleh ermöglicht.

Nasser-Verehrer Sisi

Und wieder scheint ein ägyptischer Präsident, Feldmarschall Abdul Fattah al-Sisi, zum Eingreifen im Jemen bereit: Sisi, dessen Nasser-Verehrung bekannt ist – und gerade angesichts der Geschichte der Jemen-Intervention eine seltsame Schräglage hat. Nasser unterstützte die Revolutionäre im Jemen, weil deren Coup im Geiste des arabischen Nationalismus gegen die Tyrannei der "Reaktionäre", die die arabische Einheit verhinderten, stand: also gegen Regime wie jenes in Saudi-Arabien, mit dem der sehr religiöse Sisi heute kooperiert.

Ebenso schnell, wie sich Nasser 1962 entschied, die Republikaner zu unterstützen, eilte König Saud (der zwei Jahre später abgesetzt wurde, aber von seinem Bruder Faisal) den Royalisten zu Hilfe: umso mehr, als der Monarch Imam Badr nicht wie geglaubt tot war, sondern im Norden seine Getreuen um sich scharte.

Der Krieg im Jemen war äußerst brutal, inklusive Einsatzes von chemischen Waffen von ägyptischer Seite. Dennoch führte die Intervention erst einmal zu einem neuen arabisch-nationalistischen Höhenflug, wozu die Baath-Putsche in Syrien und im Irak im Frühjahr 1963 beitrugen. Denn damals gaben sich die Baathisten, aus der Schwäche ihrer eigenen Position heraus, noch Nasser-freundlich.

Damals Ägypten, heute Iran

Vergleiche sind immer angreifbar, aber was heute der Iran ist, war damals für die Saudis Ägypten, eine revolutionäre Kraft mit Hegemonialambitionen, die den Jemen der – eigentlich bereits gescheiterten – Vereinigten Arabischen Republik einverleiben wollte. Um Nassers arabischem Sozialismus etwas entgegenzusetzen, schritten die Saudis an die Gründung der Konferenz der Islamischen Organisation (OIC). Hier verliefen auch die Linien des Kalten Kriegs: der Westen auf der Seite des Islam gegen den Kommunismus. Der Krieg im Jemen versickerte ab 1967 – der Sechstagekrieg gegen Israel funktionierte als notdürftiger arabischer Kitt.

Die USA unterstützten im jemenitischen Sumpf des Jahres 1962 Saudi-Arabien, ganz so wie heute. Aber beide Male, schreibt Jesse Ferris, der Autor eines Buches über die ägyptische Intervention im Jemen, in der New York Times, ist es ein "delikater Tanz": Denn damals wusste Washington, dass Ägypten auf die Seite des Westens gezogen werden muss (was unter Anwar al-Sadat in den 1970ern gelang), und heute sucht es einen konstruktiven Weg mit dem Iran, der im Jemen die Gegner der Saudis, die Huthis, unterstützt.

Was Sisi an Nasser so attraktiv findet, ist unschwer zu erraten: Er gab Ägypten die Stellung in der arabischen Welt, die es verdient. Sisi fordert eine führende militärische Rolle im Jemen ein und ist der Befürworter einer rein arabischen Eingreiftruppe: Die Saudis hingegen denken nicht nur arabisch, sondern sunnitisch: Im Jemen wollen sie (die sunnitische Regierung von) Pakistan dabeihaben, mit der Türkei suchen sie die Versöhnung. Und vielleicht ist ja auch ein Rest von antinasseristischem Misstrauen gegen den Nasser-Verehrer Sisi im Spiel. (Gudrun Harrer, DER STANDARD, 11.4.2015)