Wien - Vor der Krise haben Österreichs Banken im großen Stil geschlossene Fonds deutscher Emissionshäuser vertrieben. Die Kunden beteiligten sich typischweise an Immobilien in Holland oder Schiffen. Viele dieser Fonds sind nun unter Wasser, die Anleger sind mit Rückzahlungsforderungen konfrontiert, der Totalverlust droht. Viele Vermittlerbanken müssen sich jetzt vor Gericht mit dem Thema herumschlagen.

Kürzlich erging gegen die Raiffeisenlandesbank Niederösterreich-Wien ein - nicht rechtskräftiges - Urteil des Handelsgerichts Wien zu den Hollandfonds 50 und 54 des Hamburger Emissionshauses MPC. Ein weiterer MPC-Hollandfonds, der 51., musste vorige Woche Insolvenz anmelden, er wurde exklusiv für österreichische Raiffeisen-Kunden aufgelegt. Im Sommer 2012 war bereits der ebenfalls von der RLB NÖ-Wien verkaufte MPC-Schiffsfonds Merkur Sky pleitegegangen.

Wie viele Raiffeisen-Kunden wegen MPC-Produkten aktuell um ihr Geld zittern müssen, ist nicht bekannt. Der Verein für Konsumenteninformation (VKI) schätzt, dass von der Pleite des Holland 51 rund 700 bis 800 Leute betroffen sind.

Die RLB NÖ-Wien selbst verrät nicht, in welchem Ausmaß sie Bank Schiffs- und Hollandfonds verkauft hat. Zum Volumen könne er nichts sagen, so Sprecher Peter Wesely auf APA-Anfrage. Insidern zufolge ist Raiffeisen die am meisten betroffene Bank, vor allem in Niederösterreich habe man vielen langjährigen Kunden Produkte wie jene von MPC verkauft.

Hoch geschätzte Kühl- und Containerschiffe

In den Jahren 2004 bis 2008 haben geschätzte 10.000 Österreicher rund 700 Mio. Euro allein in Kühl- und Containerschiffe oder Tanker investiert. Genaue Zahlen liegen nicht vor. Neben MPC gab es noch andere Anbieter am Markt, MPC war aber in Österreich weitaus am aktivsten. Von 400 Mio. Euro MPC-Emissionsvolumen wurden rund 260 Mio. Euro in Österreich gezeichnet, so Peter Kolba vom VKI zur APA. Etwa 70 Prozent wurden von Banken verkauft, der Rest durch Finanzvermittler.

MPC hat mittlerweile dem Geschäft mit Privatanlegern Adieu gesagt und fokussiert sich auf institutionelle Investoren. Der VKI hat voriges Jahr Strafanzeige gegen MPC eingebracht und bereitet außerdem eine zivilrechtliche Klagsaktion vor.

Die Konsumentenschützer werfen Anbietern geschlossener Fonds vor, kleine Anleger in die Irre geführt zu haben. Im Lichte der Unterlagen und Beratungsgespräche hätten sie angenommen, dass es sich bei den Ausschüttungen um Gewinne bzw. Zinsen handle. Tatsächlich waren es aber nur Rückzahlungen des eigenen eingebrachten Kapitals. Nach deutschem Handelsrecht können diese spätestens bei einer Insolvenz zurückgefordert werden.

Mit den österreichischen Banken hat der VKI in der Vergangenheit schon mehrere Vergleiche geschlossen - Anleger bekamen einen Teil ihres Investments zurück, insgesamt rund 10 Mio. Euro. Vergleiche gab es mit Erste Bank und Sparkassen, RLB NÖ-Wien und anderen Raiffeisenbanken, der BKS Bank, den Volksbanken Ried und Baden-Wien sowie der Hypo Niederösterreich. Die VKI-Aktion ist abgeschlossen.

Auf APA-Anfrage verwiesen betroffene Banken am Freitag auf die VKI-Vergleiche der Vergangenheit. Zu den Volumina halten sie sich bedeckt.

Von der Erste Bank hieß es, man habe Kunden "in echten Härtefällen" schon "sehr unbürokratisch entschädigt", noch bevor die Medien bzw. der VKI das Thema aufgegriffen hätten. Im Vorjahr habe es dann noch die Vergleichslösung mit dem VKI gegeben.

Die BKS Bank hat ebenso Schiffs- und Hollandfonds von MPC vertrieben. Die Einigung mit dem VKI Ende Mai 2014 habe 125 Kunden betroffen. Darüber hinaus könne man zu dem Thema keinen Kommentar abgeben, der kürzliche pleitegegangene Hollandfonds 51 sei von der BKS Bank nicht vermittelt worden.

Kein Vergleich mit Hypo Steiermark

Eine Bank wollte sich mit dem VKI nicht vergleichen: Die Hypo Steiermark. Laut Kolba war das Geldhaus nicht bereit, einen Verjährungsverzicht abzugeben. Der VKI hat daher zwei Klagen - einmal in Sachen Hollandfonds, einmal in Sachen Schiffs- und Lebensversicherungsfonds - mit einem Gesamtstreitwert von 2,8 Mio. Euro eingebracht. Am 23. April findet am Wiener Handelsgericht eine Verhandlung statt. Bei der Hypo Steiermark war am Freitagnachmittag vorerst niemand zu erreichen.

Trotz der VKI-Vergleiche sind Banken mit Klagen geschädigter Anleger konfrontiert. Die Volksbank Ried etwa wurde im März vom Oberlandesgericht (OLG) Linz zu Schadenersatz verurteilt, weil sie ihre Aufklärungspflichten beim Verkauf eines MPC-Produkts grob fahrlässig verletzt hat. Die Bank ging nicht in Berufung, sondern zahlt, wie Direktorin Karin Wallerstorfer-Rögl der APA sagte. "Wir akzeptieren das Urteil." Auch sie verriet nicht, wie vielen Kunden ihr Haus MPC-Produkte verkauft hat und um wieviel Geld es dabei geht. Nur so viel: Das Volumen sei "überschaubar". Mit betroffenen Kunden sei man in Gesprächen, man müsse sich jeden Fall einzeln ansehen. Derzeit laufe keine Klage gegen die Bank. Im Volksbankensektor regelt das Thema Schiffs- und Hollandfonds jede Bank eigenständig.

Nach Eigenangaben nicht betroffen vom (Beinahe-)Zusammenbruch vieler geschlossener Fonds sind die Bank Austria und die BAWAG. "Wir waren im Bereich Schiffs- und Hollandfonds nicht aktiv", sagte Bank-Austria-Sprecher Matthias Raftl zur APA. "Schiffs- und Hollandfonds waren zu keiner Zeit Teil unseres Produktportfolios", hieß es auch von der BAWAG.

An der Strafrechtsfront läuft in Wien gegen MPC ein Verfahren - ins Rollen gebracht hat das der VKI mit einer Anzeige im September 2014. Zwischenzeitlich haben sich 2.000 Anleger, die sich an den VKI gewandt haben und geschädigt fühlen, dem Verfahren als Privatbeteiligte angeschlossen. Die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) ermittelt gegen mehrere bekannte und noch unbekannte Beschuldigte wegen Verdachts auf schweren Betrug, wie Oberstaatsanwalt Norbert Hauser der APA sagte. (APA, 10.4.2015)