Natalia Steiger will in Wien unter drei Stunden laufen.

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Wien - Es ist eine dieser Fragen, die Marathonläufer oft gestellt bekommen: Warum tut man sich das an? "Diese Frage hab ich mir selbst manchmal gestellt", sagt Natalia Steiger (37). 2013 war die Burgenländerin in 2:57:43 Stunden beste Österreicherin beim Wien-Marathon. Das ist keine Weltklassezeit, aber auch keine Zeit, die man im Vorbeigehen läuft. Zwei Jahre später, am Sonntag, läuft Steiger wieder den Wien-Marathon, sie will wieder unter drei Stunden bleiben. Das ist ein ambitioniertes Ziel, denn seit ihrem letzten Marathon in Berlin 2013 hat sich viel verändert. Der größte Unterschied heißt Anna, ist knapp neun Monate alt. Sechs Wochen nach der Geburt ihres ersten Kindes begann Natalia Steiger wieder zu laufen - "mit Bedacht". Der Drang, wieder Sport treiben zu wollen, war groß. Aber das Wohl der Tochter stand immer im Vordergrund.

Bei Roman Weger haben sich die Prioritäten auch verschoben. Der Kärntner gehört seit Jahren zu Österreichs besten Marathonläufern. Seine Bestzeit steht bei 2:16:18 Stunden. "Die ist nicht mehr in Reichweite. Das muss man realistisch sehen." Am Sonntag wäre er mit einer Zeit zwischen 2:21 und 2:24 zufrieden. "Ich habe nicht mehr den Stress, Bestzeit laufen zu müssen." Weger (40) trainiert deshalb kaum weniger als früher. Zwischen 130 und 190 km lief er in der Vorbereitung pro Woche - neben einer Vollzeitarbeit als Techniker in einem Statiker-Büro. Die erste Laufeinheit steht um sechs Uhr auf dem Programm, die zweite um 17.30 Uhr. "Wenn ich in der Früh vor der Arbeit einmal keine Lust habe, dann lasse ich die Einheit weg. Früher hätte ich das nicht getan."

Hobbyläufer Weger, Halbprofi Pflügl

Weger bezeichnet sich als "leistungsorientierten Hobbyläufer". Christian Pflügl sieht sich als Halbprofi. Der 36-Jährige könnte, will am Sonntag 2:15:00 Stunden laufen. Das wäre persönliche Bestzeit und das Limit für die WM in Peking im August. Bester Österreicher beim VCM war der Oberösterreicher schon im Vorjahr. "Eine Riesensache." Zur Weltspitze fehlt aber auch ihm ein ganzes Stück. Pflügls Bestmarke steht bei 2:15:58, Weltrekordhalter Dennis Kipruto Kimetto schaffte die 42,195 km in 2:02:57 Minuten. "Von Weltklasse habe ich nie geredet", sagt Pflügl. "Ich bewege mich einfach gern." Der Sport gebe ihm viel. Zum Beispiel bei seinem vierwöchigen Trainingslager in Kenia, das er Anfang des Jahres absolvierte. "Unbezahlbare Momente", sagt Pflügl.

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Roman Weger (links) und Christian Pflügl zählen zu Österreichs Besten im Marathon.
Foto: APA/Herbert Pfarrhofer

Finanziert wurden die unbezahlbaren Momente vom Verein und von Sponsoren. Öffentliche Gelder bezieht er keine. "Die sind schwer zu kriegen." 20 bis 25 Stunden trainiert er wöchentlich, zwölf Stunden arbeitet er - als Sportartikelhändler in Pasching. Pflügl hat erst im Alter von 15 Jahren mit dem Laufen begonnen. "Aufhören", sagt er, "will ich erst, wenn ich bezüglich Training und Ernährung alles ausgeschöpft habe." Aber, merkt er auch an: "Die biologische Uhr tickt." Roman Weger weiß, wovon Pflügl spricht. "Es zwickt und zwackt schon da und dort." Sein Körper brauche länger, um sich zu regenerieren. "Es geht in Stufen nach unten. Das kann man nicht aufhalten." Diese Saison will Weger jedenfalls fertiglaufen, eine weitere wohl auch noch dranhängen. "Irgendwann", sagt er, "wird der Punkt kommen, an dem die Motivation nicht mehr ungebrochen sein wird." Dann wird wohl Schluss sein.

Laufen in der Karenz

Wie Natalia Steigers läuferische Zukunft nach Sonntag aussieht, ist auch noch unklar. Bis Jahresende ist sie noch in Karenz. Da lässt sich das Training noch leichter einplanen. Steiger läuft stets morgens, bevor ihr Freund in die Arbeit geht. Dann ist Anna wichtiger. "Wenn ich in der Früh nicht laufen gehe, gehe ich gar nicht mehr." Also motiviert sie sich. Im Winter fiel das manchmal schwer. Aber, sagt sie: "Ohne Bewegung wäre ich ein halber Mensch." Nächstes Jahr will sie wieder arbeiten gehen - Teilzeit in einer Bank. "Ich muss schauen, wie sich das dann mit dem Laufen ausgeht." Sie wird wohl auf kürzere Distanzen umsteigen. Aber vorerst ist Wien, ist Marathon. Und sollte es mit der angepeilten Zeit nicht klappen - im Ziel wartet ein ziemlich guter Trost. Er heißt Anna. (Birgit Riezinger, DER STANDARD, 10.4.2015)