Kassierin, Kosmetikerin, Modeberaterin. Der Handel ist weiblich, zumindest überwiegend. Dennoch sind Frauen in Führungspositionen in dieser Branche eine Seltenheit. Spätestens der Kinderwunsch mache vielen Talenten einen Strich durch die Rechnung. "Wenn Frauen Kinder bekommen, ist das meistens ein Karrierestopper. Die Frauen steigen im Unternehmen automatisch zurück, auch wenn sie lange im Unternehmen waren und echt gut sind", sagt Michaela Foißner-Riegler, Geschäftsführerin von Ikea Haid in Oberösterreich.Sie habe das Glück gehabt, großes Vertrauen und Mut von ihrem Arbeitgeber bekommen zu haben. Seit mehr als einem Jahr teilt sich die zweifache Mutter gemeinsam mit Nicole Reitinger die Unternehmensführung in Haid – beide auf Teilzeitbasis. Die heutigen Geschäftsführerinnen kamen zur selben Zeit aus der Karenz zurück und wollten wegen der Kinder nicht sofort wieder Vollzeit zu arbeiten beginnen. Mit ihrer Position im Unternehmen leisten sie Pionierarbeit, die durch eine klare Arbeitsteilung positiv von Kollegen und Mitarbeitern aufgenommen wird. "Grundsätzlich finde ich es einen wirtschaftlichen Wahnsinn, wenn gute Frauen, nur weil sie eineinhalb Jahre weg sind, einen schlechteren Posten bekommen", sagt Foißner-Riegler.

Wenig Gender-Diversity

Lediglich 34 von insgesamt 606 Positionen in den Geschäftsführungen der 200 umsatzstärksten Unternehmen Österreichs sind mit Frauen besetzt. Im Handel macht der Frauenanteil in Spitzenpositionen magere fünf Prozent aus, und das, obwohl es laut dem "Frauen.Management.Re port.2015" der Arbeiterkammer sogar eine leichte Steigerung gab. Laut einer AMS-Studie von 2013 verrichten Frauen im Handel tendenziell gering oder mittel qualifizierte Arbeiten, etwa im Verkauf, an der Kassa und in der Buchhaltung. Männer hingegen sind öfter in den höheren Hierarchieebenen zu finden. Auffällig ist der hohe Anteil an geringfügiger und Teilzeitbeschäftigung in der Branche – von beiden Formen sind Frauen stärker betroffen. Das zeigt sich auch beim Gehalt. Mit durchschnittlich 24.800 Euro brutto pro Jahr verdienen Frauen um ein Viertel weniger als Männer.Mehr als ein Drittel der Handelsbeschäftigten arbeiten weniger als 38,5 Stunden pro Woche.

Bettina Lorentschitsch, Obfrau der Sparte Handel der Wirtschaftskammer, ortet eine steigende Nachfrage nach Teilzeitarbeit: "Die Gründe dafür liegen vor allem bei der Betreuung von Kindern und Pflegebedürftigen in der Familie." Lediglich elf Prozent würden lieber Vollzeit arbeiten. Um mehr Frauen in die Unternehmensführung zu bringen, müssen für Lorentschitsch die Rahmbedingungen angepasst werden. "In urbanen Bereichen ist die Kinderbetreuung gewährleistet, das ist in ländlichen Bereichen nicht der Fall." Aber generell sei eine Besetzung der Führungspositionen nicht nur eine Frage des Könnens, sondern auch eine Frage des Wollens.

Was Quoten bewirken könnten

"Frauen meiden Wettbewerb viel eher als Männer, und das von Kindheit an. Aufstiegschancen hängen aber mit der Bereitschaft zusammen, sich auch Wettbewerbssituationen zu stellen", sagt Wirtschaftsökonom Matthias Sutter, der an der Universität Innsbruck und Universität Köln lehrt. Laut Sutter könne man mit einer Quotenregelung für Führungspositionen diesem Phänomen entgegenwirken, auch wenn diese teils heftig umstritten sei: "Die empirische Evidenz zeigt, dass eine solche Maßnahme positive Auswirkungen auf die Bereitschaft – insbesondere der besten Frauen hat –, sich einem möglichen Wettbewerb zu stellen.

"Eine weitere Erklärung für den niedrigen Frauenanteil bei den Führungskräften sieht der Ökonom in fehlenden weiblichen Vorbildern. Zu starres Denken ortet auch Foißner-Riegler: Es müssten nicht alle Führungsjobs unbedingt in Vollzeit gemacht werden.Bettina Lorentschitsch sieht den Handel prinzipiell als "frauenfreundliche" Branche und stimmt zu. Um auch mehr Spitzenpositionen mit Frauen zu besetzten, müsse man aber neue Modelle gestalten: "Ich glaube, dass man eher in die Richtung denken sollte, wie Führungspositionen auch in Teilzeit funktionieren können. Es müssen langfristig neue Führungsmodelle und Beschäftigungsformen entwickelt werden. Und solche Modelle könnten ja auch für Männer interessant sein." (DER STANDARD, 11./12.04.2015)