Wer weiß, wie es ausgegangen wäre, hätte ein Passant nicht geistesgegenwärtig zu seinem Handy gegriffen und die schockierende Szene gefilmt. Den Mord eines Polizisten. Michael Slager hat den Afroamerikaner Walter Scott aus nichtigem Anlass erschossen, er hat ihn niedergestreckt wie ein Jäger, der ein Reh tötet. Einmal mehr ist es das Allmachtsgefühl eines weißen Uniformierten, das einen sprachlos macht. Das Gefühl, dass einem die Kluft eines Polizisten das Recht gibt, sich wie ein Halbgott aufzuspielen.

Wäre nicht ein Video aufgetaucht, das alles zweifelsfrei dokumentiert, Slager hätte sich vielleicht durchgemogelt mit seinen Lügengeschichten. Womöglich hätten ihn Kollegen gedeckt, wären Zeugen als unglaubwürdig abgetan worden. Vielleicht hätte ein polizistenfreundlicher Staatsanwalt die Sache abgebogen, ehe es zu einer Gerichtsverhandlung gekommen wäre. Wenn Afroamerikaner begründen, warum sie an den Cops manchmal nur noch verzweifeln, dann wissen sie, wovon sie reden.

In New York verkaufte Eric Garner unversteuerte Zigaretten, bevor ihm aggressive Beamte im Schwitzkasten die Luft abdrückten, bis er starb. In Cleveland hantierte Tamir Rice mit einer Spielzeugpistole, als ein Polizist seinen Streifenwagen stoppte und sofort auf den Zwölfjährigen feuerte, ohne eine einzige Frage zu stellen. Vielerorts sitzt der Finger skandalös locker am Abzug, wird schon leiser Widerspruch als Bedrohung interpretiert. Sicher, in Amerika, dem Mekka privaten Waffenbesitzes, müssen Ordnungshüter durchaus damit rechnen, dass der Gegenüber eine Pistole zieht. Doch was Leute wie Slager daraus ableiten, das grenzt schon an Paranoia. Höchste Zeit, dass die Kräfte von "Law and Order" einmal über gesunden Menschenverstand debattieren. (Frank Herrmann, derStandard.at, 8.4.2015)