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Der Tagesbedarf eines gesunden Menschen liegt bei 0,8 bis einem Gramm Eiweiß pro Kilogramm Körpergewicht. Üblicherweise kann er durch Milch, Fleisch oder Hülsenfrüchte gedeckt werden.

Foto: APA/dpa/Daniel Karmann

Unlängst im Einkaufszentrum: Ein junger Mann verteilt einen neuen Proteindrink. "Das liegt derzeit total im Trend", sagt er. Proteinprodukte gab es bisher als Pulver in riesigen Säcken in Spezialgeschäften - nun hat der Trend die Supermärkte erreicht: Im Kühlregal findet man die Drinks in unterschiedlichen Geschmacksrichtungen.

Was stimmt: Proteine sind für uns lebenswichtig. Der Tagesbedarf eines gesunden Menschen liegt bei 0,8 bis einem Gramm Eiweiß pro Kilogramm Körpergewicht. Er kann durch tierische Produkte wie Milch und Fleisch und pflanzliche Quellen wie Hülsenfrüchte gedeckt werden. Die Werbung verspricht: Die Hälfte dieses Bedarfs deckt der Drink aus dem Kühlregal. Aber ist das überhaupt nötig?

Experten schütteln den Kopf: "Gesunde Menschen decken ihren Proteinbedarf durch die bei uns übliche Ernährung vollkommen", sagt etwa Kurt Widhalm, Leiter der Abteilung für Ernährungsmedizin der Meduni Wien. Mehr noch: "Eigentlich sollten wir weniger Proteine zu uns nehmen."

Fehlglaube bei Kraftsportlern

"Diese Nahrungsergänzungsmittel sind Geschäftemacherei", ist Eveline Ledl-Kurkowski vom Institut für präventive und rehabilitative Sportmedizin am Universitätsklinikum Salzburg, überzeugt. Sie bemerkt seit langem einen Hype rund um die Proteine: Nicht nur Leistungssportler, auch Hobbyathleten würden immer häufiger mit Proteinprodukten nachhelfen. "Für einen Hobbysportler ist das aber komplett sinnlos", betont sie.

Sie führt den Hype auf einen Fehlglauben aus dem Kraftsport zurück: Früher hätte man geglaubt, dass Kraftsportler täglich bis zu vier Gramm Eiweiß pro Kilogramm Körpergewicht zu sich nehmen müssen. Mancher Hobbyathlet erhöht daher auch heute noch seine Proteinzufuhr in der Hoffnung, dass dadurch die Muskeln wachsen - was ohne intensives Krafttraining natürlich nicht funktioniert, so die Medizinerin: "Mittlerweile weiß man außerdem sehr gut, dass Kraftsportler nicht sehr viel mehr Proteine brauchen als Durchschnittsverbraucher."

Denn ein Zuviel an Proteinen kann auf Dauer belastend für Niere und Blutgefäße werden, warnt Widhalm. Durch die Proteine kann sich der Harnsäurespiegel im Körper erhöhen, im Extremfall drohen Gichtanfälle. "Ich habe Patienten gesehen, die über einen längeren Zeitraum große Mengen von Protein-Mixgetränken zu sich genommen haben und nachweisbare Probleme im Stoffwechsel bekommen haben", sagt Widhalm.

Eiweißdrink statt Mahlzeit

Eine Berechtigung haben die Drinks aber für manche Menschen trotzdem: Nach Operationen oder einer Chemotherapie haben Patienten laut Widhalm einen erhöhten Proteinbedarf, der durch die süßen Getränke gedeckt werden kann. Auch bei bestimmten Diäten wird eine Mahlzeit durch ein Eiweißgetränk ersetzt: "Da ist die Zufuhr von Eiweiß durchaus gerechtfertigt", sagt Widhalm. Denn bei einer strengen Diät geht viel Eiweiß verloren - ein Verlust, der durch künstliches Eiweiß ausgeglichen werden kann. "Aber solche drastischen diätetischen Maßnahmen finden nur selten statt und sollten nur unter ärztlicher Aufsicht gemacht werden", betont Widhalm.

Auf die biologische Wertigkeit achten

Vegetarier und Veganer, die sich gesund ernähren, müssen keine zusätzlichen Proteine zuführen, sagen die Experten. Ledl-Kurkowski empfiehlt aber, darauf zu achten, dass die Nährstoffzusammensetzung möglichst günstig ist: Es gibt nämlich Nahrungsmittelkombinationen, bei denen die biologische Wertigkeit, also die Nutzung vom Eiweiß im Körper, deutlich verbessert ist - etwa, indem Kartoffeln mit Milchprodukten oder Getreide mit Hülsenfrüchten kombiniert werden.

Bei Proteinpulver, das besonders günstig im Internet bestellt werden kann, mahnt Ledl-Kurkowski jedenfalls zur besonderen Vorsicht: Am Markt befinden sich auch Produkte, die beispielsweise mit Kreide gestreckt werden oder die anabole Steroide enthalten. "Da weiß man wirklich nicht was drinnen ist."

Wer seinen Proteinbedarf weiterhin im Kühlregal decken will, dem rät die Expertin zu einem Glas Buttermilch: "Das ist billiger - und die Wirkung ist dieselbe." (Franziska Zoidl, derStandard.at, 15.4.2015)