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Alexis Tsipras (li.) traf am Mittwoch in Moskau auf Wladimir Putin – mit dem Ziel, die Wirtschaftsbeziehungen beider Länder anzukurbeln.

Foto: Reuters/Zemlianichenko

Wladimir Putins Lächeln für Tsipras war echt. Nicht nur, weil er selbst bekennender Anhänger griechischer Kunst und bekannter Amphorentaucher ist, sondern auch weil er von diesem Gast aus der EU erwarten durfte, nicht mit Kritik wegen der Moskauer Ukraine-Politik überhäuft zu werden. "Es ist mir sehr angenehm, Sie hier in Moskau kurz vor dem orthodoxen Osterfest zu empfangen. Das ist unser gemeinsamer Feiertag", begrüßte er Tsipras.

Der ist zwar Atheist, doch das war Putin zu Sowjetzeiten auch, und so hatte die Floskel der gemeinsamen "geistigen Wurzeln" durchaus ihre Berechtigung. Genauso wie Putins Mahnung, dass das seit 2009 mehr als verdoppelte bilaterale Handelsvolumen im vergangenen Jahr um 40 Prozent gefallen ist.

Um diesen Einbruch zu stoppen, ist Tsipras nach Moskau gereist, und so dürfte ihm der Vorschlag, gemeinsam zu überlegen, wie das alte Wachstum wiederzubeleben sei, gefallen haben. Fortschritte auf dem Weg gibt es offenbar: Das russische Wirtschaftsministerium hat nach Angaben von Minister Alexej Uljukajew bereits Varianten ausgearbeitet, um das Lebensmittelembargo gegen Griechenland zu lockern. Ein entsprechender Vertrag könnte bereits heute bei Tsipras' Gesprächen mit Russlands Premier Dmitri Medwedew unterzeichnet werden.

Feta, Pfirsiche und Erdbeeren

Vor allem Feta, Pfirsiche und Erdbeeren gehen aus Griechenland in russische Supermärkte. Nach den baltischen Staaten und Polen ist Griechenland das EU-Land, das den größten Teil seiner Landwirtschaftsproduktion nach Russland exportiert. Der größte Abnehmer bleibt natürlich die EU, doch der Schaden ist für die Griechen spürbar. Um knapp ein Drittel ist die Ausfuhr von Obst und Gemüse im vergangenen Jahr zwischen Jänner und Oktober zurückgegangen; 34.000 Tonnen oder 39,45 Millionen Euro haben die griechischen Bauern verloren, gab der Erzeugerverband Incofruit-Hellas im Jänner dieses Jahres an.

Putin selbst regte zur Lösung des Problems die Schaffung russisch-griechischer Joint Ventures an. Russland könne Griechenland nicht einfach von der Embargoliste streichen, sagte er. "Aber wenn wir diesen Weg gehen, dann fügen wir unseren Landwirtschaftsbetrieben keinen Schaden zu, weil sie in den Prozess integriert werden", sagte er. Die angekündigten Erleichterungen verband Putin mit dem Verweis darauf, dass sich Griechenland nur gezwungenermaßen den EU-Sanktionen angeschlossen habe.

Transit russischen Gases

Daneben rechnet sich Athen gute Chancen aus, Bulgarien als Transitland für russisches Gas den Rang abzulaufen. Nach dem Scheitern des South-Stream-Projekts, das durch Bulgarien verlaufen wäre, ist Moskau auf die Türkei umgeschwenkt. Die Pipeline mit einer Kapazität von 63 Milliarden Kubikmeter soll auch Gas nach Europa bringen. Neben Griechenland haben Mazedonien, Serbien und Ungarn bereits Interesse an dem Bau einer Trasse bekundet. Russland ist an einer Zusammenarbeit mit Hellas interessiert. Putin versprach "Hunderte Millionen Euro" an Transiteinnahmen, zudem ist ein Gasrabatt für die Griechen verhandelbar.

Und auch bei der laut Putin gar nicht von Tsipras gestellten Frage nach direkten finanziellen Hilfen zeigt der Kreml Entgegenkommen: Russland sei prinzipiell bereit, staatliche Kredite an Griechenland zu vergeben, sagte Putin nach dem Treffen mit Tsipras. Daneben sei Russland auch geneigt, sich an der Privatisierung griechischer Unternehmen und Infrastrukturobjekte zu beteiligen. Er hoffe, russische Investoren würden bei der Ausschreibung nicht benachteiligt, fügte Putin hinzu.

Rhetorischer Preis

Der Preis, den Tsipras zahlt, ist zunächst einmal rhetorischer Natur: In Moskau forderte er eine Einbindung Russlands in die europäische Sicherheitsstruktur, in der die Rolle der OSZE gestärkt werden soll. Zugleich betonte er erneut seine Ablehnung der Sanktionen gegen Russland. Diese seien ein Mittel des Wirtschaftskriegs, sagte der Syriza-Chef. Unklar blieb, ob er Putin feste Versprechungen gegeben hat, Sanktionen in Zukunft zu blockieren.

Der Besuch hat Tsipras neue Optionen eröffnet. Ob er sich zugleich andere Türen damit versperrt hat, bleibt abzuwarten. (André Ballin aus Moskau, Markus Bernath aus Athen, DER STANDARD, 9.4.2015)