Bagdad/Erbil - Die kurdischen Peschmerga haben den Oberkommandierenden der jesidischen Milizen im nordirakischen Sinjar-Gebirge, Haydar Shesho, verhaftet. Shesho habe eine "ungesetzliche bewaffnete Streitkraft außerhalb der Strukturen des Peschmerga-Ministeriums gebildet", teilte ein Sprecher des Präsidenten der Kurdischen Autonomieregion, Massoud Barzani, in Erbil mit.

Die vom Ministerium gesetzte Frist, seine Miliz in die regulären kurdischen Streitkräfte zu integrieren, habe Shesho ungenutzt verstreichen lassen. Er werde sich nun mit weiteren Kommandanten vor Gericht verantworten müssen.

Shesho steht an der Spitze der Verteidigungskraft Sinjar (HPS), einer Bürgerwehr, die die Jesiden unter dem Eindruck einer brutalen Offensive der Jihadistengruppe "Islamischer Staat" (IS) ins Leben gerufen hatten. Die Jesiden sind Angehörige einer religiösen Minderheit, die im mehrheitlich kurdisch bevölkerten Teil des Nordirak beheimatet ist.

Die IS hatte Mitte 2014 tausende Jesiden auf dem Berg Sinjar eingekreist. Nach der Befreiung stießen Peschmerga-Kämpfer auf ein Massengrab mit den Überresten von rund 70 ermordeten Jesiden.

Jesiden fordern Freilassung

Die HPS forderte die unverzügliche Freilassung ihres Kommandanten, der am Sonntag in seinem Anwesen in Khanke (Provinz Dohuk) verhaftet worden war. "Die Verhaftung von Haidar Shesho ist gegen den jesidischen Widerstand als Ganzes gerichtet, nicht lediglich gegen die Person Sheshos", hieß es in einer HPS-Mitteilung.

Nach Angaben der deutschen "Bild"-Zeitung hat Shesho, der eine 3000 Mann starke Truppe kommandiert, die deutsche Staatsbürgerschaft. Die Verteidigungseinheit war im August 2014 von seinem Onkel Qasim Shesho, dem "Löwen vom Sinjar", gegründet worden. Ein Großteil der Shesho-Familie lebt im deutschen Bundesland Niedersachsen.

Die Nachricht der Verhaftung ist ein Schock für die Jesiden und hat große Brisanz: In den vergangenen Wochen kam es immer wieder zu Protesten von jesidischen Flüchtlingen, die sich sowohl von der kurdischen Regierung unter der Demokratischen Partei Kurdistans (KDP) als auch der internationalen Gemeinschaft im Stich gelassen fühlen. Sie fordern Schutz von der UNO und die Anerkennung ihrer grausamen Verfolgung als Genozid. Ihre Demonstrationen wurden mit Wasserwerfern beendet, mindestens 126 Jesiden seien seitdem festgenommen worden, berichten Aktivisten. (APA, 7.4.42015)