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Im September 2014 wurde mit dem Hubble Space Telescope ein extrem großes Schwarzes Loch entdeckt. Die umgebende Materie bildet einen leuchtenden Strudel, bevor sie im Schwarzen Loch verschwindet.

Foto: picturedesk.com/Nasa/Esa/Rex

Wien – Von allen kosmischen Objekten, die es im All gibt, ist wohl das Schwarze Loch dasjenige, das unsere Fantasie am meisten beflügelt. Seine Schwerkraft ist so groß, dass selbst Licht durch sie gefangen bleibt. Was würde mit einem Astronauten passieren, der in den Schlund des Loches fiele? Im Weltraumdrama The Black Hole wurde dieses Szenario durchgespielt: Im Finale des Streifens aus dem Jahr 1979 rast eine Sonde in das Schwarze Loch und geht dabei zu Bruch. Einige Mitglieder der Besatzung überleben, werden von dem Schwarzen Loch wieder ausgespuckt und schweben danach wie kosmisches Treibgut im leeren Raum.

Leider steht das nicht ganz mit den Gesetzen der Physik im Einklang. Denn aus dem Inneren des Schwarzen Loches gibt es kein Entkommen – außer in Form von Wärmestrahlung, wie Stephen Hawking entdeckte. Davon abgesehen wäre bereits die Annäherung an das Schwarze Loch tödlich. Die Anziehungskraft ist im Nahbereich so gewaltig, dass sie einen herabstürzenden Astronauten in die Länge ziehen würde. Irgendwann hätte er nach all dem gravitativen Gezerre die Form einer Nudel. "Spaghettisierung" nennen Physiker diesen Vorgang.

Licht vom Universumsende

Ende Februar berichteten Forscher von der Entdeckung eines Superschwergewichts, das gleich in mehrfacher Hinsicht Anlass für Superlative bot. Das Schwarze Loch mit der Katalognummer SDSS J0100+2802 ist 12,8 Milliarden Lichtjahre von uns entfernt und wiegt zwölf Milliarden Sonnenmassen. Was den Forschern Rätsel aufgibt, ist das rasante Wachstum des Giganten: Laut Messungen hatte er seine endgültige Größe bereits 875 Millionen Jahre nach dem Urknall erreicht, die Wachstumskurve liegt somit haarscharf an der Grenze des physikalisch Möglichen. Vielleicht, vermuten die Forscher, ist das Schwarze Loch nicht wie üblich durch den Kollaps eines einzigen Sterns entstanden, sondern quasi per Blitzstart, durch Zusammensturz eines großen Gasnebels.

Dass die Wissenschafter überhaupt von der Existenz eines Objekts am anderen Ende des Universums erfahren konnten, hat mit einer Erscheinung zu tun, die solch supermassiven Schwarzen Löchern zu eigen ist. Die sie umgebende Materie bildet einen Strudel, sie erhitzt sich durch Reibung auf 100 Millionen Grad und leuchtet hell auf, bevor sie für immer im Inneren des Schwarzen Lochs verschwindet. "Quasare" (von "Quasi Stellar Objects") heißen diese Lichtquellen – sie gehören zu den hellsten Erscheinungen, die das Universum zu bieten hat. Auch in dieser Hinsicht steht SDSS J0100+2802 in den Rekordlisten: Seine Strahlung leuchtet so hell wie 420 Billionen Sonnen.

Welche Dimension die im Kosmos wirkenden Kräfte haben, zeigt ein Vergleich mit der größten Maschine der Welt. Derzeit wird der Teilchenbeschleuniger LHC des Kernforschungszentrums Cern wieder hochgefahren. Im Vollbetrieb werden Kollisionen mit einer Energie von 13 Teraelektronenvolt erreicht – ein historischer Rekord.

Ernst Dorfi, Astronom an der Universität Wien, bleibt angesichts solcher Beträge dennoch gelassen. "Der LHC ist eine bewundernswerte Maschine, aber im Vergleich zu den Energien im Universum ist er noch immer klein." Die Teilchen der kosmischen Strahlung etwa erreichen bis zu 10 hoch 20 Teraelektronenvolt. Gleichwohl ist damit für die Teilchenphysik noch nichts gewonnen. Um neuen Bausteinen der Materie auf die Spur zu kommen, braucht es kontrollierte Experimente. Und die sind im Weltall, wo die Physik wilde Tänze aufführt, nur bedingt möglich.

Auch der Blitz erfährt seine ultimative Steigerungsform im kosmischen Format. Und zwar in Form von Strahlenexplosionen, die bei der Geburt Schwarzer Löcher sowie bei der Verschmelzung von Neutronensternen entstehen. "Gamma Ray Bursts" oder "GRBs" leuchten bloß Sekunden oder Tage, allerdings in einer Intensität, die selbst Supernovae in den Schatten stellt. "Bei einer herkömmlichen Supernova wird innerhalb von Sekunden so viel Energie frei, wie unsere Sonne im Verlauf ihres gesamten, zehn Milliarden Jahre dauernden Lebens abgibt", sagt Dorfi. "Gammastrahlenblitze sind noch einmal um den Faktor 100 energiereicher."

Bis in die 1990er-Jahre war nicht klar, ob die GRBs innerhalb von Galaxien oder in den Weiten des intergalaktischen Raums entstehen. In der Regel ist Letzteres der Fall – zum Glück. Denn würde so ein Ausbruch in der Nähe unseres Sonnensystems stattfinden, "wäre das fatal", sagt Dorfi.

Forscher der University of Kansas äußerten vor ein paar Jahren die Vermutung, dass so etwas im Verlauf der Erdgeschichte tatsächlich passiert ist. Ihrer Ansicht nach ist vor 440 Millionen Jahren ein Gammastrahlenblitz über die Erde hinweggefegt und hat dabei einen Großteil des Lebens in Oberflächengewässern zerstört. Dass es so ein Massensterben am Ende des Ordoviziums gab, ist belegt. Über die Ursachen sind die Wissenschafter uneinig. Gut möglich, dass nur das Klima schuld war.

Kosmisches Uhrwerk

Ein Superlativ der anderen Art: Wenn die ausgebrannten Überreste explodierter Riesensterne unter dem Druck ihrer eigenen Schwerkraft zu extrem dichten Kugeln schrumpfen, machen sie eine eigenartige Wesensveränderung durch. Wo vorher Energiegewalt das Verhalten der Materie bestimmt hat, formiert sich diese plötzlich zu einem kosmischen Uhrwerk. Rotierende Neutronensterne, "Pulsare" genannt, senden Radiosignale in die Weiten des Weltalls – in einem äußerst präzisen Rhythmus: "Die Rotationsperiode eines Pulsars ist bis auf die neunte Stelle hinter dem Komma konstant", sagt Dorfi.

Diese Ganggenauigkeit macht die Pulsare zu einem idealen Testgerät für Albert Einsteins Relativitätstheorie. Das Prinzip: Sofern zwei Pulsare einander umrunden, sollte laut Einstein Gravitationsstrahlung entstehen, die einen winzigen Teil des Drehimpulses abtransportiert. Dadurch kommen die beiden Sterne einander näher. Sämtliche Tests zeigten immer dasselbe Ergebnis: Einsteins Formeln sind korrekt. Ein Nachfolger für seine Allgemeine Relativitätstheorie ist noch nicht in Sicht. (Robert Czepel, DER STANDARD, 8.4.2015)