Wien - Heinz Mooss beugt sich über ein kleines Loch in der Holzwand. "Da müssen Sie durchschauen, da sieht man das Stationshäusl", sagt er. Tatsächlich steht da noch - mit Holzplatten eingezäunt und für Fahrgäste unerreichbar - ein graues Häuschen. Das Schild mit dem Haltestellennamen wurde abmontiert. Seit 14. Dezember 2014 hält die Schnellbahn S80 nicht mehr in der Station Lobau.

Der Schließung ist ein jahrelanger Konflikt zwischen Anrainern und ÖBB vorausgegangen. Für die Bahn war die Station im 22. Bezirk zu wenig lukrativ, die Bewohner hingegen sehen sie als unverzichtbar an, um schnell in die Stadt oder auf die andere Seite der Donau zu kommen. Im Sommer nutzen Fahrradfahrer, die in den Nationalpark Lobau fahren wollen, die Station. Eine Mediation zwischen Bürgerinitiative der Anrainer und ÖBB ist gescheitert.

Im Video zur Auflassung der Station Lobau sagen Heinz Mooss und Gerald Pärtan: "Die ÖBB verbreitet Halbwahrheiten."
derStandard.at/Lugar

"Auch für uns ist es nicht einfach, eine Haltestelle zu schließen", sagt ÖBB-Sprecher Michael Braun zum STANDARD. Eigentlich war die Auflassung der Station schon 2010 geplant, damals wurde die U2 nach Stadlau verlängert. Man ging davon aus, dass dies als Angebot für die Anrainer ausreichen würde. Nach Protesten der Bürger wurde die Station dann doch erhalten, aber die Zahl der Fahrgäste, die an der Station ein- und aussteigen, ging auf 50 pro Tag zurück. Also entschlossen sich die ÖBB, die Station aufzulassen.

Ansonsten wären laut Braun enorme Kosten entstanden. "Weil die Station in Hochlage und in einer Kurve liegt und auch nicht barrierefrei ist, müssten wir sie verlegen und um rund 14 Millionen Euro komplett neu bauen", sagt er. Eine so umfangreiche Investition sei für die wenigen Fahrgäste nicht angemessen.

Blick durchs Loch in der Holzwand auf das frühere S-Bahn-Stationsgebäude der Haltestelle Lobau.
Foto: Standard/von Usslar

Das sehen die Mitglieder der Bürgerinitiative anders. "Hier wird an den Bedürfnissen der Bevölkerung vorbeikalkuliert", sagt Mooss. Die Zahlen der ÖBB hält er für nicht glaubwürdig. Anfangs habe die Bahn noch von Umbaukosten in der Höhe von 140.000 Euro gesprochen. Zudem wachse der Bezirk. Derzeit baut die Buwog direkt vor der ehemaligen Station 120 neue Wohneinheiten.

Gerald Pärtan, der bis 2011 für die Grünen Bezirksrat in der Donaustadt war und sich ebenfalls für die Initiative engagiert, sagt: "Es gibt Schüler, die jetzt auf dem Weg zu ihrer Schule beim Gasometer drei- bis viermal umsteigen müssen und eine halbe Stunde länger brauchen."

Nur 50 Fahrgäste pro Tage gebe es höchstens im Winter, an schönen Sommerwochenenden seien hier früher bis zu 500 Personen ausgestiegen. Es sei "kein Wunder", dass die Frequenz der Fahrgäste gesunken ist. Schließlich hätten die ÖBB ab 2011 die Intervalle auf 60 Minuten ausgedünnt.

Vor der Auflassung haben laut ÖBB nur mehr 50 Fahrgäste die Station Lobau genutzt.
Foto: Standard/von Usslar

Jedenfalls hat die Bürgerinitiative die Wiener Politik auf ihrer Seite. Bezirksvorsteher Ernst Nevrivy (SPÖ) appelliert an die ÖBB, nicht nur an finanzielle Aspekte zu denken. Die Donaustadt sei vom Stau geplagt. "Je mehr Angebot es im öffentlichen Verkehr gibt, desto mehr springen auf", sagt er. Selbst der Gemeinderat hat sich für die Station ausgesprochen. Vizebürgermeisterin Maria Vassilakou (Grüne) hat einen Brief an die ÖBB geschrieben.

Geholfen hat das alles nichts. "Eine Perspektive, dass es mehr Fahrgäste geben könnte, gibt es nicht", sagt ÖBB-Sprecher Bauer. Trotzdem ist Anrainer Mooss überzeugt, dass die Station wieder kommt. "Vor zwanzig Jahren wurde sie schon einmal aufgelassen. Damals haben wir es geschafft. Nach weniger als einem Jahr wurde sie wieder aufgesperrt." (Lisa Kogelnik, DER STANDARD, 4.4.2015)

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