Ein tausend Jahre altes Medizinbuch aus England namens "Bald's Leechbook" enthält so manche Weisheit: Neben einem Alkoholverbot für schwangere Frauen findet sich darin auch ein Rezept für ein wirksames "Antibiotikum".

Foto: british library board, red

Man nehme Lauch und Knoblauch, Wein und Ochsengalle und lasse die Mischung neun Tage lang in einem Messingkessel ziehen. So lautet ein angelsächsisches Rezept aus dem zehnten Jahrhundert, das nach einer aktuellen Untersuchung an der University of Nottingham eine antibiotische Wirkung gegenüber hartnäckigen Krankenhauskeim MRSA entfaltet.

Eine Mikrobiologin und eine Philologin für Angelsächsisch kamen gemeinsam auf die Idee, die frühmittelalterliche Medizin gegen ein entzündetes Wimpern-Follikel aus "Bald’s Leechbook" nachzubrauen. Dabei stellte sich heraus, dass im verblichenen, tintengetränkten Pergament des Medizinbuchs aus dem British Library nützliches Wissen vergraben liegt. Die Tinktur entpuppte sich als mögliches Medikament für schwer behandelbare Hautkrankheiten.

Bio-Wein und alte Knoblauchvarietäten

Die Wissenschafter hielten sich so genau wie möglich an das Rezept. Nur auf den Messingkessel mussten sie verzichten, denn der wäre nicht nur zu teuer, sondern auch schwer zu sterilisieren gewesen. Der biologische Wein eines historischen englischen Weingartens kam also zusammen mit alten Kultursorten von Lauch und Knoblauch, der Ochsengalle und einem Messing-Plättchen in ein Glasgefäß.

Nach neun Tagen kam die Überraschung: Die Flüssigkeit war steril. Sie hatte alle Bodenbakterien abgetötet, die über den Lauch und Knoblauch in die Flüssigkeit gelangt waren. Obwohl die einzelnen Komponenten nur schwach wirken, entfalten sie in Kombination und nach Anleitung von Bald’s Leechbook eine veritable antibakterielle Wirkung.

Es wirkt – aber wie?

Die Forscher testeten die Tinktur an Hautstellen von Ratten, die sie zuvor mit dem Krankenhauskeim MRSA infiziert hatten. Methicillin-resistente Staphylococcus aureus gilt als besonders schwer behandelbar, da weder β-Lactam-Antibiotika wie Penicillin noch viele andere Antibiotika bei dem Bakterium anschlagen. Nach der Behandlung mit dem Augenrezept verschwanden 90 Prozent der Keime von der Rattenhaut – genauso viele wie bei Vancomycin, das normalerweise gegen MRSA verschrieben wird.

Noch liegt die genaue Wirkungsweise des Rezepts im Dunkeln. Bereits 2005 testete Michael Drout vom Wheaton Collage in Norton, Massachusetts, das über tausend Jahre alte Rezept – aber damals überlebten die Bakterien. Vielleicht verlief der Versuch erfolglos, weil die Medizin nicht "in vivo" an der Haut eines lebenden Organismus, sondern bloß an einem Streifen mit der Bakterienkultur geprüft wurde, schreibt Drout auf seinem Blog.

Nun müssen die Wissenschafter herausfinden, worauf es bei der Tinktur wirklich ankommt. Bis dahin gilt: Zur Nachahmung nicht empfohlen! (red, derStandard.at, 6.4.2015)