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Die Geschichte der Boxermotoren auf Motorrädern ist untrennbar an den Beiwagen gebunden. Das beweisen die grünen Elefanten von Zündapp beim jährlichen Elefantentreffen, ...

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... die Urals, die es ja fast ausnahmslos nur als Gespann gibt, aber auch Dnepr und viele historisch wertvolle BMW- Maschinen.

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Legendär sind dabei sicher die BMW R 32 ...

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... und ihr Boxermotor. Diese Maschine zeigte erstmals deutlich, welches Potenzial in dem Motorenkonzept steckt.

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Obwohl Mercedes-Benz keinen Boxermotor, geschweige denn ein Motorrad im Programm hat - den Deal mit Ducati machte am Ende Audi, die Sache mit MV Agusta ist noch nicht abgeschlossen -, taucht die Marke am Beginn der Geschichte von Boxer-Motorrädern gleich zweimal auf. Zum einen, weil es Carl Benz war, der 1896 den Boxermotor erfand. Zum anderen, weil Gottlieb Daimler und Wilhelm Maybach mit dem Reitwagen nicht nur das erste Motorrad, sondern das erste Motorfahrzeug überhaupt geschaffen haben. Der Reitwagen war darum natürlich lange vor dem Boxermotor da. Und die Motorradgeschichte von Daimler endet so schnell, wie sie anfängt.

Heute ist vor allem BMW dafür bekannt, Motorräder mit Boxermotor zu bauen - bei den Automobilen ist die Liste der Stars mit Subaru, Käfer, Puch, 2CV, dem unsäglichen Alfa Arna und natürlich Porsche reich besetzt. Boxer-Motorräder sind aber etwas Besonderes - auch wenn sie bereits seit den 1920er-Jahren gebaut werden.

Die britische Douglas Motors Ltd. in Bristol und D-Rad in Berlin-Spandau zählten zu den ersten Herstellern von Boxer-Motorrädern. Der Zweizylinder-Boxer, den D-Rad in der M-23 einsetzte, leistete rund drei PS und war, wie die Boxermotoren bei Douglas, quer eingebaut, also mit den Zylindern in Fahrtrichtung.

Legendäres von BMW

Wirklich legendär wurde dann aber die BMW R 32, das erste Serienmotorrad von BMW, das 1923 bei der Automobilausstellung in Berlin der Öffentlichkeit vorgestellt wurde. Dabei baute BMW - als Bayrische Flugzeugwerke - bereits 1919, mit der Helios, die erste Boxermaschine. Die Helios hatte ebenfalls einen quer eingebauten Motor, den M 2 B 15. "Dieses von Werkmeister Martin Stolle nach dem Vorbild der englischen Douglas entwickelte Zweizylinder-Boxer-Aggregat wurde an verschiedene Abnehmer geliefert. Größter Kunde waren die Nürnberger Victoria-Werke", heißt es im BMW-Archiv. Der Motor hatte seinerzeit eine durchaus beachtliche Leistung von 6,5 PS und wurde von Victoria in der KR 1 eingesetzt.

BMW entwickelte den Motor weiter, bis er als M 2 B 33 die ebenso legendäre BMW R 32, das erste BMW-Serienmotorrad, antreiben sollte. Sie trug den Boxer längs eingebaut, der Fahrtwind kühlte beide Zylinder, aber auch die Auslassventile. Zudem nutzte sie die weiteren Vorteile des Boxers wie den niedrigen Schwerpunkt oder den vibrationsarmen Lauf, weil sich die bewegten Massen aufheben.

Der große Nachteil des Boxers indes ist, dass er deutlich aufwendiger zu bauen ist als ein Reihenmotor.

Während 1923 der Aufstieg der Motorradsparte von BMW begann - mit dem Motorrad R 32 schrieb BMW rasch auch noch Renngeschichte -, begann bei Douglas der Niedergang der Marke, obwohl auch die Briten inzwischen auf längs eingebaute Boxer setzten. Steuerrückzahlungen, die in die Millionen gingen, und ein Feuer, das 1926 die Fabrik zerstörte, machten den Briten das Leben schwer. Die Idee, ein Auto zu bauen, wollte kein Erfolg werden, stattdessen liefen bald Flugzeugteile vom Douglas-Band.

Militärgeschäft

Auch BMW war rasch stark im Militärgeschäft. Unter anderem mit Flugmotoren, aber auch mit Motorrädern wie dem R-71-Gespann. Angeblich war die Rote Armee von der Beiwagenmaschine der deutschen Wehrmacht so beeindruckt, dass die Russen kurzerhand beschlossen, diese Maschine im 1941 gegründeten Irbiter Motorenwerk, Irbitski Motozikletny Sawod, nachzubauen. Die Ural war geboren. 1946 wurde die R-71 auch in Kiew unter dem Namen Dnepr nachgebaut.

Während es Dnepr nicht mehr gibt - das Werk schloss vor wenigen Jahren die Tore, weil außer erbarmungslosen Fans ohnedies niemand mit dem unzuverlässigen Motorrad fahren wollte -, baut Ural heute immer noch Beiwagenmaschinen, denen man die Verwandtschaft zur R-71 nicht absprechen kann.

Ural wie BMW entwickelten unabhängig voneinander den Boxermotor und die Maschine weiter. Während BMW heute 125 PS aus einem Luft-Wasser-gekühlten Zweizylinder-Boxer mit 1170 Kubikzentimeter holt, verbaut Ural einen luftgekühlten Zweizylinder-Boxer mit 745 Kubikzentimetern, der eine Leistung von rund 40 PS hat. Neueste Innovation dort ist die Benzineinspritzung.

Aber gerade das macht die Urals so besonders. Eine Fahrt mit einer Ural ist eine Zeitreise. Solomaschinen sind bei Ural so selten wie Gespanne bei anderen Herstellern. Und diese Eigenheit macht Ural-Fahren noch einmal eigener.

Wenn dann einmal ein Beiwagen nicht an einer Ural hängt, dann ist die Zugmaschine meist eine BMW - eine mit Boxermotor. Irgendwie scheinen sich die beiden gut zu vertragen. Und so setzte auch Zündapp 1937 bei der KS 750 auf einen Boxermotor. Auf einen ganz besonderen sogar. Um die Anforderungen für den Auftrag eines Wehrmachtsgespanns ideal zu erfüllen, hoben sie die Zylinder jeweils um fünf Grad an und bauten so einen Boxer mit dem außergewöhnlichen Zylinderwinkel von 170 Grad.

"Grüner Elefant"

Bis heute streiten Techniker darüber, ob der Motor nun, weil jeder Kolben seinen eigenen Hubzapfen hat, ein Boxer sein darf oder ob ein Boxer einen 180-Grad-Zylinderwinkel haben muss - und fünfe niemals gerade sein dürfen.

Der 751 Kubikzentimeter große Motor leistete - wie die Aggregate der Konkurrenz eh auch - um die 25 PS und beschleunigte das Gespann auf über 90 km/h. Zündapp setzte damals, wie es Ural heute noch macht, auf vier Vorwärts- und einen Rückwärtsgang - bot zusätzlich aber auch einen Geländegang an.

Deutlich bekannter ist aber eine andere Boxer-Zündapp geworden, die wegen ihres Gewichts, der Farbe und weil sie sich so robust anfühlt, bald den Spitznamen "grüner Elefant" trug. Sie hatte einen fast 30 PS starken Boxer mit beinahe 600 Kubikzentimetern und beschleunigte schon damals bis weit über 100 km/h. Der grüne Elefant war eine Maschine für echte Männer - und echte Männer fuhren ihr Gespann auch im Winter. So wie Ernst Leverkus, der im Jänner 1956 ein Treffen für KS 601-Fahrer auf der Solitude-Rennstrecke bei Stuttgart veranstaltete: das erste Elefantentreffen.

Das Elefantentreffen gibt es übrigens heute noch. Es findet jetzt im Bayrischen Wald statt, unweit der tschechischen Grenze, weil dort die Winter besonders hart sind.

Rund um das erste Elefantentreffen fällt auch der Anfang vom Ende der BK 350, der Boxer-Kardan-Maschine mit 350 Kubikzentimeter Hubraum, die in Zschopau gebaut wurde. 1951 präsentierte man die BK 350 als DKW-Zweizylindermaschine, eines der ganz wenigen Motorräder, das mit einem Zweitakt-Boxer gebaut wurde.

Ende einer Ära

1956 trat mit der MZ ES der Nachfolger der BK 350 auf den Plan, und die Genossen stellten 1959 die Produktion der aufwendigeren BK 350 ein.

Aufwendig war auch die Arbeit von BMW am Boxerkonzept - obwohl mit dem Ende der 1950er-Jahre die große Boxer-Ära zu Ende ging. Doch inzwischen gehört der Motor so zu Motorrädern von BMW wie zu einem 911er oder einem Subaru, dass man das Konzept nicht einfach fallen lassen konnte. Eine 1200er-GS mit Paralleltwin? Nein. Also tüftelten die Ingenieure, um die Leistung permanent zu steigern, die Abgase aber immer weiter zu senken. So wurde aus dem luftgekühlten Zwei-Ventil-Boxer bis 2013 ein Luft-Wasser-gekühlter Vierventiler.

Und noch ein Motorradhersteller setzt heute auf den Boxer: Honda. Ja, es dauert ein wenig, bis man die komplette Palette im Geist durchhat und bei der Gold Wing landet. Richtig, die wird von einem Sechszylinder-Boxer mit 1832 Kubikzentimetern angetrieben. Leistung: 118 PS, maximales Drehmoment: 167 Newtonmeter. Airbag, Rückwärtsgang, 421 Kilogramm vollgetankt: Die Gold Wing ist 38.990 Euro teuer, aber rundherum so ausgefallen und besonders, dass man den Boxermotor schon fast wieder übersieht. Wie man ja auch in erster Linie nicht an Mercedes-Benz denkt, wenn man Boxer hört. (Guido Gluschitsch, DER STANDARD Rondomobil, 11.4.2015)