Über viele Jahre kannte die Absatzkurve von Samsung-Smartphones nur eine Richtung: Steil nach oben. Von einer Galaxy S-Generation zur nächsten wurde ein ums andere Mal ein neuer Verkaufsrekord aufgestellt. Samsung dominierte damit nicht nur die Android-Welt, selbst Apple konnte man zu Hochzeiten in Hinblick auf die verkauften Stückzahlen hinter sich lassen.

Ein schlechtes Jahr

Doch dann folgte das Jahr 2014 - und damit die große Krise. Das Galaxy S5 verkaufte sich nicht mehr annähernd so gut wie sein Vorgänger, auch sonst brachen die Samsung-Verkäufe spürbar ein. Also unterzog das Unternehmen die bisherige Produktphilosophie einer eingehenden Prüfung, und schmiedete aus den dabei gewonnen Erkenntnissen jene zwei Smartphones, die nun die Trendwende bringen sollen: Das Galaxy S6 und dessen Abkömmling, das Galaxy S6 Edge.

Anmerkung

Gleich vorneweg: Bis auf die Äußerlichkeiten sind die beiden Geräte praktisch gleich. Insofern beziehen sich alle folgenden Aussagen prinzipiell auf beide Smartphones - so es denn nicht anders ausgewiesen wird.

Galaxy S6 und Galaxy S6 Edge (rechts)
Foto: Andreas Proschofsky / derStandard.at

Viele Jahre war Samsung für die vielen "billig" anmutende Verarbeitung kritisiert worden. Angesicht der aktuellen Probleme scheinen diese Worte auf fruchtbaren Boden gefallen zu sein. Auch wenn die Vorderseite zumindest beim S6 auf den ersten Blick unverändert scheint, zeigt sich der Unterschied zum Vorgänger schnell, wenn man das Gerät in die Hand nimmt. Der Rahmen ist nun aus Metall gehalten, die Rückseite aus Glas, wobei hier Gorilla Glass 4 vor Beschädigungen schützen soll.

Gebogen

Beim S6 Edge kommt dazu noch ein weiteres Unterscheidungsmerkmal: Das Frontglas ist links und rechts deutlich abgerundet. Dies gibt dem ganzen einen hohen Wiedererkennungswert, führt aber auch dazu, dass das Edge nicht ganz so gut in der Hand liegt wie das Standard-Modell, da der wirklich Griff bietende Rand recht klein wird. Überhaupt sind die beiden Smartphones sehr schlank geworden, mit 6,8 bzw. 7,0 (Edge) Millimeter gehören sie zu den dünnsten am Markt. Die Abmessungen sind mit 143,4 x 70,5 und 142,1 x 70,1 (Edge) Millimeter angegeben, das Gewicht liegt bei 138 sowie 132 (Edge) Gramm.

Progress

Alles in allem ein deutlicher Fortschritt für Samsung - gerade was die Verarbeitungsqualität anbelangt. Rein optisch sticht dabei vor allem das Edge mit seinen Rundungen hervor, während die Rückseite der beiden Smartphones weiterhin etwas generisch wirkt. Zudem steht die Kameraöffnung leicht heraus, wodurch das S6 (Edge) nicht eben aufliegt - aber das ist aktuell ja bei vielen Smartphones der Fall.

Von unten betrachtet zeigt sich die Biegung des Edge-Displays deutlich.
Foto: Andreas Proschofsky / derStandard.at

Was die Wahl der Materialien anbelangt, wird sich wohl nie ein letztgültiges, objektives Urteil finden lassen. So wird Glas von vielen als hochwertiger wahrgenommen, trotzdem kann nicht über die im Vergleich zu Kunststoff höhere Beschädigungsgefahr hingweggesehen werden. Da mag noch so viel Gorilla vor dem Glas stehen. Und natürlich zieht so eine Oberfläche auch Fingerabdrücke geradezu magnetisch an.

Ein Traum von einem Display

Zum Bildschirm gibt es eigentlich nur ein Wort: Großartig. Der 5,1-Zoll große SAMOLED bietet die derzeit wohl beste Darstellungsqualität aller Smartphones. Vergessen sind all die typischen Verfärbungen, mit denen frühere AMOLED-Bildschirme zu kämpfen hatten. Selbst bei niedriger Helligkeit zeigen sich keine solchen Defizite mehr. Kombiniert mit den typischen Vorteilen dieser Technologie wie einem optimalen Schwarzwert lässt sich am S6-Display kaum etwas aussetzen. Einziger kleiner Schwachpunkt: Die Farbtemperatur des S6 Edge ist etwas kälter als jene des S6, was allerdings auch nur im direkten Vergleich auffällt.

Die Rückseite ist bei beiden Modellen gleich - und reichlich generisch. neben der Kamera übrigens der LED-Flash und der Pulssensor.
Foto: Andreas Proschofsky / derStandard.at

Dafür liefern beide Geräte eine sehr gute maximale Helligkeit von rund 550 Nits, was vor allem für die Nutzung im direkten Sonnenlicht hilfreich ist. Über die Sinnhaftigkeit der Auflösung von 2.560 x 1.440 ließe sich hingegen durchaus kontrovers diskutieren. Die daraus resultierenden 577 PPI machen sich zwar in der Spezifikationsliste gut, mit freiem Auge werden aber die allerwenigsten einen Unterschied zu einem 1080p-Bildschirm erkennen. Im Gegenzug verbraucht so ein ultra-hochauflösende Display aber schlicht mehr Strom.

Ein Ende des Wettlaufs?

Was am Bildschirm des S6 übrigens auch auffällt: Er ist nicht größer als jener seines Vorgängers. Nach Jahren des steten Wachstums scheinen sich mittlerweile praktisch alle Hersteller auf eine Displaygröße um die 5 Zoll für ihre Spitzenmodelle geeinigt zu haben. Der diesbezügliche Wettlauf scheint also zumindest vorerst gestoppt zu sein.

Prozessor

Mit dem S6 setzt Samsung erstmals seit dem Galaxy S2 wieder ganz auf einen Prozessor aus eigener Fertigung: Beim Exynos 7420 handelt es sich um einen 64-Bit-Octacore nach dem üblichen Aufbau: Es gibt also vier flotte (A57 / 2,1 GHz) Kerne, denen vier langsamere (A53 / 1,5 GHz) für weniger anspruchsvolle Aufgaben zur Seite gestellt sind. Als Spielwiese für seine Berechnungen bieten sich dem Prozessor 3 GB RAM.

Flott. Wirklich flott.

Hinter all diesen Zahlen verbirgt sich eine simple Realität: Der Samsung-Chip hängt in Benchmarks die Konkurrenz zum Teil deutlich ab. So liefert er etwa bei Antutu beeindruckend 66181 Punkte. Zum Vergleich: Das HTC One M9 kommt hier "nur" auf 51.000 Punkte.

Einige Benchmarks im Vergleich: Bei Antutu weist das S6 alle in die Schranken, bei der Grafikperformance muss es sich allerdings dem HTC One M9 geschlagen geben. Und die Akkuleistung ist durchschnittlich.
Screenshot: Andreas Proschofsky / derStandard.at

In Kombination damit, dass der von HTC genutzte Snapdragon 810 zu Hitzeproblemen neigt, scheint sich Samsung also richtig entschieden zu haben, dieses Mal vollständig auf einen Exynos zu setzen. Eine kleine Einschränkung gibt es aber auch hier zu beachten: Die Grafikperformance des S6 liegt nur leicht über jener des S5 aber recht klar hinter jener des M9 wie die Benchmarks von GFXbench zeigen.

Subjektiv > Specs

Wie immer gilt aber: Viel wichtiger als jeder künstliche Test ist der subjektive Eindruck im Alltag. Und hier gibt es wieder Bestnoten für das S6. Sei es der Anwendungsstart oder auch das Scrollen in Anwendungen, das neue Samsung-Smartphone fühlt sich durchgängig extrem flink an.

Kamerastärken

Kommen wir zu einem weiteren Highlight des S6: Die Kamera. Mit dem Sony IMX240 nutzt diese den selben 16-Megapixel-Sensor, der schon beim Note 4 zum Einsatz kommt. Dieser wird allerdings mit einer größeren Blende von f/1,9 kombiniert, wodurch das S6 mehr Licht einfangen kann. Zusammen mit der optischen Bildstabilisierung, dem Infrarot-Autofokus und dem flinken Autofokus ergibt sich die derzeit wohl beste Kamera im Android-Umfeld - und eine die auf Augenhöhe mit dem iPhone 6 Plus agiert.

Foto: Andreas Proschofsky / derStandard.at
Foto: Andreas Proschofsky / derStandard.at

Selbst bei schlechten Lichtverhältnissen gibt es so also noch immer ansehnliche Schnappschüsse. Dazu kommt, dass die Kamera sehr flink agiert. Und das nicht nur beim Abschließen der Aufnahme sondern auch schon beim Start der App. Dass dieser immer über einen Doppelklick auf den Home-Button vorgenommen werden kann, trägt das ihrige dazu bei, dass mit dem S6 kaum eine vorbeihuschende Katze verpasst wird.

Software

Die Samsung-Kamerasoftware lässt kaum ein Einstellunsgsdetail vermissen. Erfahrungsgemäß halten sich die meisten Nutzer aber ohnehin an die automatischen Einstellungen, die je nach Situation entscheiden, ob der HDR-Modus genutzt werden soll oder nicht. Dieser bietet wie gewohnt etwas kräftigere Details, und ist trotzdem erfreulich flott. Die Farbreproduktion der Aufnahmen ist realistisch, Aufnahmen bei Dämmerung werden allerdings etwas stärker aufgehellt als notwendig.

Foto: Andreas Proschofsky / derStandard.at

Ein neues Software-Feature für die Kamera ist der "Virtual Shot"-Modus: Ähnlich wie bei den Photo Spheres von Google wird hierbei aus zahlreichen Einzelbildern eine 360-Grad-Aufnahme zusammengesetzt. Videoaufnahmen geraten mit dem S6 ebenfalls sehr gut - zumindest bei optimalen Lichtverhältnissen. Am Abend wird es dann schwieriger, aber das gilt für jede Smartphone-Kamera.

Selfie!

Neben der Hauptkamera gibt es natürlich auch noch eine an der Vorderseite, und in Zeiten der Selfie-Manie reicht da kein Billigsensor mehr. Also gibt es für das S6 (Edge) eine 5-Megapixel-Kamera, die Videos in 1440p aufnehmen kann und ebenfalls mit Auto-HDR aufwarten kann

Foto: Andreas Proschofsky / derStandard.at
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Kein, ich wiederhole, KEIN MicroSD-Slot

Deutlich umstrittener ist da schon eine andere Entscheidung von Samsung: Das S6 besitzt keinen MicroSD-Slot mehr. Die Nutzer sind nun also - wie bei den meisten anderen aktuellen Smartphones - auf den mitgelieferten Speicherplatz beschränkt, immerhin gibt es in dieser Hinsicht drei Varianten mit 32, 64 und 128 GB. Trotzdem wird dies wohl so manchen potentiellen Käufer abschrecken. Ob dies die breite Masse sonderlich interessiert, ist freilich eine andere Frage.

Akkulaufzeit

Eher im Bereich des Durchschnittlichen bewegt sich der Akku, der zwischen den beiden Modellen mit 2.550 bzw. 2.600 mAh (Edge) minimal variiert. Im Akku-Benchmark von PCMark erreicht das S6 Edge so einen Wert von 7:06 Stunden aktiver Nutzung bei rund einem Drittel der maximalen Bildschirmhelligkeit. Die meisten Nutzer sollten mit dem S6 somit zwar trotzdem durch den Tag kommen, andere Smartphones liefern hier aber mittlerweile zum Teil deutlich bessere Werte ab. Spätestens an dieser Stelle stellt sich dann die Frage, ob die hohe Auflösung wirklich so eine gute Idee war, und ob es nicht besser gewesen wäre, das Smartphone lieber ein, zwei Millimeter dicker zu machen und so einen etwas größeren Akku verbauen zu können.

Nicht mehr wechselbar

Und hier folgt dann auch der zweite seit der Vorstellung des S6 viel geäußerte Kritikpunkt: Der Akku lässt sich nämlich nicht mehr so ohne weiteres tauschen. Die Zeiten des flotten Akkuwechsels sind also damit auch in der Samsung-Welt vorbei. S6-Nutzer mit besonders hohen Anforderungen sollten sich also lieber schon mal mit externen Akku-Packs anfreunden.

Das Galaxy S6 lässt sich drahtlos aufladen.
Foto: Andreas Proschofsky / derStandard.at

Ein echtes Plus ist hingegen, dass das S6 drahtlos aufgeladen werden kann. Samsung geht dabei auf Nummer Sicher und unterstützt sowohl den Qi- als auch den konkurrierenden Powermat-Standard. Ein sehr komfortable Art des Ladens, die allerdings natürlich nicht so schnell ist wie die Ladung per Micro-USB-Anschluss. Die im konkreten Fall übrigens wirklich flott ist. Gerade einmal 1:20 Stunden brauchte das S6 mit dem mitgelieferten Ladegerät um vollständig aufgeladen zu sein.

Fingerabdruck

Unter dem Home-Button des S6 (Edge) verbirgt sich einmal mehr ein Fingerabdrucksensor. Im Gegensatz zu jenem des S5 reicht hier nun ähnlich wie beim iPhone ein Touch aus, der Finger muss also nicht mehr über das Feld geswipet werden. Umgekehrt macht dies die Einrichtung etwas mühsamer, bis etwa ein vollständiger Abdruck eines Daumens erfasst ist, braucht es schon so seine Zeit. Danach funktioniert das Ganze zumindest relativ zuverlässig - die grundlegenden Zweifel an der Sicherheit solcher Lösungen einmal außer Acht lassend.

Nicht mehr wasserdicht

In Fragen Netzwerkanbindung macht Samsung niemand etwa vor: Mit Cat 6 LTE und WLAN 2x2 802.11a/b/g/n/ac sowie Bluetooth 4.1 ist das S6 in dieser Hinsicht "State of the Art". In die Kategorie "dem Redesign geopferte Features" fällt hingegen, dass das S6 nicht mehr wasserdicht ist - ein Feature, das beim Vorgänger noch groß beworben wurde. Ebenfalls eher ein Schwachpunkt des S6: Die Lautsprecher können nicht annähernd mit jenen des HTC One M9 oder auch des Nexus 6 mithalten.

Software

Kommen wir zu jenem Bereich, der Samsung in den letzten Jahren so manche Kontroverse eingebracht hat: Der Softwareausstattung. Von Haus aus wird das S5 mit Android 5.0.2 geliefert, wann es ein Update auf Android 5.1 geben wird, ist noch unklar. Wie immer handelt es sich dabei um eine von Samsung stark veränderte Version von Android, auch wenn die aktuelle Touchwiz-Ausführung eine Spur dezenter ausgefallen ist.

Die Einrichtung des Smartphones wirkt in der neuen Version aufgeräumter, nicht zuletzt da man sich hier stark an den neuen Dialogen von Google selbst orientiert.
Screenshot: Andreas Proschofsky / derStandard.at

Verzichtet Samsung für das S6 doch auf neue Spielereien, wie man sie in den letzten Jahren so gerne bei den eigenen Produktpräsentationen in den Mittelpunkt gestellt hatte. Und frühere Gimmicks wie Air Gestures oder Air View sind zwar noch da, treten aber zunehmend in den Hintergrund. Sinnvolle Erweiterungen wie die geteilte Bildschirmansicht bleiben natürlich ebenfalls bestehen.

Irgendwie Material

Erfreulich auch, dass Samsung versucht, die eigenen Apps dem Stil von Android 5.0 anzupassen, auch wenn das Unternehmen eine etwa eigenwillige Interpretation des "Material Design" pflegt. Zudem bleibt die etwas beliebig wirkende Nutzung des Fullscreen-Modus in einzelnen Samsung-Apps. Trotzdem: Im Vergleich zu früheren Softwareversionen ist hier ein deutlicher Fortschritt zu bemerken.

Schlanker? Wohl kaum

Die Berichte, dass die Softwareausstattung an sich deutlich schlanker geworden ist, sind hingegen schlicht falsch. Genau genommen ist exakt das Gegenteil der Fall: Belegte die mitgelieferte Software direkt nach der Einrichtung beim S5 von Haus aus "nur" 5,3 GB sind es beim S6 nun wieder 7,1 GB - und das noch vor den ersten App-Updates.

Touchwiz wirkt in der neuen Version etwas aufgeräumter, auch wenn der Umfang in Wirklichkeit zugenommen hat. Rechts im Bild die Einstellungen um den Seitenbildschirm des Edge zu konfigurieren.
Screenshot: Andreas Proschofsky / derStandard.at

Wer einen flotten Blick in den App-Launcher wirft, könnte trotzdem den Eindruck gewinnen, dass Samsung ganz gehörig aufgeräumt hat. Wirkt die Liste der installierten Apps doch sehr übersichtlich. Dies liegt allerdings schlicht daran, dass Samsung vieles in Unterordner gepackt hat. So wurden etwa fast alle vorinstallierten Google-Apps mit einem Eintrag zusammengefasst. Lediglich Chrome, Maps, Youtube und der Play Store bilden hier eine Ausnahme, alle 13 (!) anderen Apps sind in einem Folder untergebracht. Überhaupt entsteht der Eindruck, dass Samsung sein Bestes tut, die Google-Präsenz auf seinem Smartphone, so weit es die Android-Lizenzbedingungen nur zulassen, zurückzudrängen.

Der neue Microsoft-Einfluss

Dazu passt, dass das südkoreanische Unternehmen einen Deal mit Microsoft eingegangen ist, und so OneNote, OneDrive und Skype von Haus aus auf dem S6 (Edge) installiert sind. Zusätzlich bekommen alle S6-Käufer 100 GB Speicherplatz bei OneDrive kostenlos mit dazu. Aus strategischer Sicht ein durchaus interessanter Deal, ob es im Interesse der Nutzer ist, dass all diese Apps vorinstalliert sind, ist natürlich eine andere Frage. Aber die stellt sich natürlich auch für so manche Google-App.

Samsung-Kopiermaschine

Zumindest muss man den Microsoft-Apps eines lassen: Sie werden aktiv entwickelt und bieten den Nutzern einen gewissen Mehrwert. Warum Samsung weiterhin darauf besteht, jede einzelne, noch so kleine Android-App in eigener Version nachzubauen, erschließt sich hingegen nicht. Zumal die Samsung-Eigenentwicklungen nichts bieten, was nicht zahlreiche Apps entweder von Google selbst oder im Play Store besser erledigen. Die Chance, dass sich jemand ein S6 kauft, weil er die Taschenrechner-App von Samsung so toll findet, darf wohl als verschwindend gering angesehen werden. Offenbar hofft das Unternehmen noch immer darauf, eines Tages den Absprung von Google zu schaffen - oder will sich die Option mit einem vollständig eigenen Softwareangebot zumindest offenhalten. Ob man den eigenen Kunden damit einen Gefallen tut, scheint offenbar weiterhin zweitrangig.

Für die neue Softwareversion hat Samsung praktisch alle seine Anwendungen redesignet. Die Interpretation von Googles Material Design bleibt aber eigenwillig.
Screenshot: Andreas Proschofsky / derStandard.at

Aber wenn man schon diesen Weg wählt könnte Samsung zumindest all die eigenen Apps über den Play Store aktuell halten, wie es mittlerweile viel andere Smartphone-Hersteller tun. Einen eigenen Browser mitzuliefern, ohne diesen laufend - jenseits von großen Systemupdates und über diese hinaus - zu aktualisieren, darf etwa getrost als Sicherheitsrisiko in Entstehung bezeichnet werden.

Deaktivieren statt Deinstallieren

Vollständig entfernen lassen sich von all den vorinstallierten Apps übrigens nur die wenigsten, zumindest waren darunter aber auf einem der Testgeräte providerspezifische Apps. Von den anderen Programmen lassen sich zwar einige deaktivieren, aber auch hier erscheint die Auswahl begrenzt logisch. Warum sich etwa S-Voice deaktivieren lässt, der mitgelieferte Dateimanager aber nicht, weiß wohl nur Samsung selbst.

Touchwiz

All das darf nicht darüber hinwegtäuschen dass zumindest das Kern-Interface von Samsung mittlerweile ganz gut funktioniert. Der Launcher ist flott, auch wenn es beim Wechsel zwischen Flipboard-Ansicht und den weiteren Homescreens reproduzierbar zu Hängern kam. (wird zweimal in rascher Abfolge von rechts nach links geswipet, registriert Touchwiz offenbar den zweiten Swipe nicht) Dabei dürfte es sich aber wohl um einen simplen Bug handeln, der eventuell sogar noch vor dem offiziellen Marktstart mit einem Update bereinigt wird. Sonst ist das System jedenfalls durchgehend sehr flink.

Einstellungen, zurückgenommen

Erfreulich ist zudem, dass Samsung die letztjährigen Änderungen an den Einstellungen wieder revidiert hat. Statt der wenig übersichtlichen Icon-Wüste gibt es nun wieder eine klassische Liste der einzelnen Einstellungskategorien.

Edge-Spezialitäten

Beim S6 Edge kommt zu all dem noch die eine oder andere Besonderheit: Da wäre zunächst die VIP-Ansicht, bei der mittels eines Swipes vom Rand des Geräts eine Kontaktliste zum Schnellzugriff geboten wird. Hierfür können fünf Kontakte ausgewählt werden, ob dieser Seitenbildschirm links oder rechts verfügbar ist, kann in den Einstellungen festgelegt werden. Ein nettes Gimmick, bei dem sich allerdings die Frage stellt, warum es dem Edge vorbehalten ist, technisch wäre das auch beim normalen S6 kein Problem.

Der Seitenbildschirm des S6 Edge wird nur für wenige Funktionen genutzt. So lässt sich etwa Datum und Uhrzeit im Standby-Modus hier darstellen.
Foto: Andreas Proschofsky / derStandard.at

Ein weiteres Extra: Jedem dieser Kontakte kann eine Farbe zugeordnet werden. Liegt nun das Gerät auf dem Bildschirm und die entsprechende Person nimmt Kontakt auf, leuchtet der Seitenbildschirm in der entsprechenden Farbe auf. Das Smartphone auf den Bildschirm zu legen, ist freilich an sich eher eine begrenzt gute Idee, Gorilla Glass 4 hin oder her. Bleibt noch die Anzeige von Standby-Infos, etwa die Anzeige von Uhr und Datum wenn der Bildschirm sonst eigentlich ausgeschaltet ist. Durchaus nett - aber jetzt auch kein groß herausragendes Feature. Das Galaxy Note Edge hatte hier noch deutlich mehr zu bieten.

Preisfrage

Damit ist auch klar: Wer sich für das S6 Edge entscheidet, tut dies vor allem aus ästhetischen Überlegungen, technische Gründe gibt es kaum. Vor allem keine, die einen Aufpreis von 150 Euro rechtfertigen würden. Für das Galaxy S6 gibt Samsung nämlich einen Verkaufspreis von 699 Euro an, das S6 Edge beginnt bei 849 Euro. Beides gilt für die Ausführung mit 32 GB, für jeden Verdopplung beim Speicherplatz muss man 100 weitere Euro berappen. So kostet dann das Topmodell des Galaxy S6 Edge auch stolze 1.049 Euro. Erfahrungsgemäß werden diese Preise im freien Handel allerdings schon recht bald sinken, abwarten könnte sich also bezahlt machen. Zudem ist das Galaxy S6 (Edge) natürlich auch wieder bei allen österreichischen Mobilfunkern zu finden, wo mit Preisen ab "null Euro" geworben wird - so lange man nur bereit ist einen entsprechend teuren Vertrag einzugehen. Erhältlich sollen beide Geräte in Österreich ab dem 17. April sein, bei A1 wird das Smartphone bei rechtzeitiger Vorbestellung sogar noch ein paar Tage früher geliefert.

Fazit

Auch wenn es nicht allen gefallen wird: Mit dem Galaxy S6 (Edge) zieht Samsung die richtigen Konsequenzen aus den aktuellen Problemen. Wer ein Gerät mit Premium-Preis verkaufen will, muss auch ein Premium-Feeling liefern können. Dass dafür einige lange gepflegte Features wie MicroSD-Slot oder tauschbarer Akku verloren gegangen sind, wird zwar einen Teil der eigenen Kunden verärgern, die breite Masse dürfte dies hingegen wenig stören. Zumindest wenn man dem glauben darf, was so über die Vorbestellungen des S6 zu hören ist, die offenbar deutlich besser laufen als beim Vorgänger.

Top-Hardware

Bei all diesen Diskussionen geht schon fast verloren, dass es an der Hardwareausstattung des S6 sonst wenig auszusetzen gibt: Der Bildschirm ist top, die Kamera ebenso, auch in Fragen Performance räumt das Samsung-Smartphone Bestnoten ab. Bei der Softwareausstattung gibt es - allen aktuellen Verbesserungen zum Trotz - zwar noch immer einige Luft nach oben, aber immerhin können die Nutzer diese ja weitgehend selbst anpassen. Einzig der Akku ist eher durchschnittlich.

Allgemeine Überlegungen

Im Endeffekt ist die zentrale Frage für potentielle Käufer aber ohnehin eine andere: Nämlich ob man angesichts deutlich billigerer Konkurrenz im Android-Markt noch bereit ist für solch eine Top-Hardware den entsprechenden Preis zu zahlen. Eine Frage, an deren Beantwortung nicht zuletzt die Zukunft von Samsungs Smartphone-Geschäft hängt. (Andreas Proschofsky, 6.4.2015)