Teheran/Wien - Für die iranischen Gegner der Atomverhandlungen wurde es schwieriger, ihre prinzipielle Abneigung gegen eine Auseinandersetzung mit westlichen Bedenken gegen Irans Nuklearprogramm zu formulieren, als klar wurde, dass der religiöse Führer Ali Khamenei hinter dem iranischen Verhandlungsteam steht. Die - durch die schlechte wirtschaftliche Lage des Landes beschleunigte - pragmatische Entscheidung Khameneis für Verhandlungen hat eine längere Vorgeschichte: Schon im Frühjahr 2009 antwortete er auf die Neujahrswünsche, die der damals neue US-Präsident Barack Obama an die Iraner und Iranerinnen richtete, mit der Feststellung, dass der Iran und die USA keine ideologische, sondern eine politische Auseinandersetzung führen, schreibt der Iranist Walter Posch (Landesverteidigungsakademie) 2013 in einer Studie über Irans Außenpolitik.

Die Hardliner im Iran würden heute vor allem die Popularität von Präsident Hassan Rohani nach einem Deal fürchten, sagt Posch zum STANDARD: "Damit wäre es Rohani möglich, die letzten verbliebenen Positionen der Hardliner eigenen Vertrauensleuten zu geben. Das trifft vor allem auf den Sicherheitsapparat zu, wo Rohani seine Karriere begann." Darüber hinaus würde ein Nukleardeal in Kombination mit spürbarer Sanktionserleichterung auch ideologische Konsequenzen haben und der von Rohani intendierten Liberalisierung die Bahn brechen - damit wären die Hardliner endgültig auf den rechtsextremen Rand der Gesellschaft beschränkt, so Posch.

Rationale Argumente dagegen

Die Hardliner, die Angst haben, dass ein Deal mit dem großen Satan die Islamische Revolution aufweicht, waren wegen Khameneis Zustimmung zu den Verhandlungen in den letzten Monaten immer mehr auf "rationale" Argumente gegen einen Atomdeal, der ja das iranische Atomprogramm auf Jahre unter Kuratel stellen würde, angewiesen. Ein Beispiel dafür ist ein Interview, das Hossein Shariatmadari, Chefredakteur der ultrakonservativen Keyhan, der Nachrichtenagentur Fars gab. Darin setzt sich Shariatmadari besonders mit der Frage der Sanktionsaufhebung - die sich in Lausanne als Knackpunkt erwies - auseinander. Sie wäre für den Iran ja auch der einzig messbare Erfolg eines Deals.

Kritikpunkt Uno-Sanktionen

Rohani hat außerdem in seinem Präsidentschaftswahlkampf 2009 die Kritik an seinem Konkurrenten Said Jalili daran aufgehängt, dass dieser als Atomverhandler nicht verhindern konnte, dass der Iran immer tiefer in die Uno-Sanktionsspirale hineinrutschte. Hingegen sei während seiner eigenen Zeit als Atomverhandler unter Präsident Mohammed Khatami (bis 2005) der Fall Iran nicht von der Internationalen Atomenergiebehörde (IAEA) an den Uno-Sicherheitsrat verwiesen worden.

Shariatmadari wettert dagegen, dass die Sanktionen nur teilweise und schrittweise aufgehoben würden und auch jederzeit wieder verhängt werden könnten - während der Iran irreversible Verpflichtungen eingehen müsse. Darüber hinaus werde eine neue Uno-Sicherheitsratsresolution, die die Verpflichtungen beider Seiten festhalte (und die bestehenden Resolutionen ablösen würde, Anm.), unter Kapitel VII der UN-Charta stehen, das heißt, "der Iran müsse akzeptieren, dass sein Atomprogramm eine Bedrohung für den internationalen Frieden und die Sicherheit war und ist".

Weiters widmet sich Shariatmadari der Frage der "möglichen militärischen Dimensionen" (PMDs), deren (stockende) Aufarbeitung der IAEA anvertraut ist und die in Lausanne keine Rolle spielte, und der Frage des iranischen Raketenprogramms, die in Uno-Resolutionen angesprochen wird. Beide Punkte werden auch von westlichen Gegnern eines Atomdeals gegen den Iran vorgebracht. Shariatmadari meint, dass ein Atomabkommen den Weg vorzeichnen würde, dass dem Iran - und der "Achse des Widerstands" - die Raketen weggenommen werden. Die totale Entwaffnung sei das ultimative Ziel, das die USA mit den Atomverhandlungen verfolgen.(Gudrun Harrer, DER STANDARD, 3.4.2015)