Lebensnahe Kommunikation - nicht nur auf der Kinoleinwand: Robert Altman (1925-2006) mit der Schauspielerin Shelley Duvall in den 1970er-Jahren.

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Wien - Eines von Robert Altmans wesentlichen Stilmitteln brachte wohl als Erster Studioboss Jack Warner auf den Punkt - allerdings war es kein freundlicher Befund: "Dieser Trottel lässt die Schauspieler gleichzeitig sprechen", konstatierte Warner angeblich, bevor er dem Regisseur 1967 den Zutritt zum Set seines Spielfilms Countdown entzog.

Ein paar Jahre und einen Riesenerfolg namens M.A.S.H. später hatte der Filmemacher seine Vorstellung von lebensnaher Kommunikation auf der Leinwand dann auch technisch perfektioniert: Er stattete die Mitglieder seiner Darstellerensembles mit Funkmikrofonen aus und nahm sie auf getrennten Tonspuren auf, um später in der Mischung jene großartige Vielstimmigkeit zu perfektionieren, die dann als eines seiner Markenzeichen galt. Man kann diesen Umgang mit dem Filmton durchaus als "altmanesque" bezeichnen.

Dieses Adjektiv steht am Anfang von Ron Manns Altman. Weggefährten wie Keith Carradine, James Caan, Lily Tomlin oder Robin Williams werden im Verlauf der knapp 90-minütigen Dokumentation ihre Definitionen abgeben, dabei aber vordergründig bleiben: "Furchtlos" sagt einer, "seinen eigenen Regeln verpflichtet", ein anderer, "nie aufgeben" oder "was Hollywood in den Arsch tritt".

Der kanadische Dokumentarfilmemacher Mann selbst versucht der Sache in Form einer Lebens- und Werkgeschichte des 2006 mit 81 Jahren verstorbenen Robert Altman näherzukommen. Er erzählt diese Geschichte chronologisch, beginnend mit einem Hinweis auf Altmans Einsatz als Kampfflieger im Zweiten Weltkrieg. Und er bebildert diese Erzählung fast ausschließlich mit Archivaufnahmen. Dabei leistet er sich Fernsehdoku-Kunstgriffe wie Herumzoomen über Fotografien und deren Nachvertonen (Babygeschrei zur Aufnahme von Bobby Altman jr., u. Ä.). Er lässt in Auszügen aus alten Interviews Robert Altman selbst zu Wort kommen, dessen Witwe Kathryn Reed steuert wesentliche Erinnerungen bei. Aus dem Off sind einige der Altman-Reed-Kinder zu hören, die später auch zu wichtigen Mitarbeitern wurden. Zum Teil wirken ihre Statements wie abgelesen.

Nicht zuletzt hatte Ron Mann Zugriff aufs Archiv der Familie: Homemovies, Mitschnitte von Dreharbeiten und Auszüge aus unveröffentlichten Kurzfilmen sind der große Mehrwert von Altman - nicht nur, weil sie einiges vom anarchischen Humor, von der Spielernatur des Regisseurs von Nashville, 3 Women, A Wedding, The Player oder Short Cuts offenbaren. Durch solche Einblicke ebenso wie durch Ausschnitte aus Altmans legendären Kinofilmen wird Altman gerettet, der ansonsten dem Prinzip der Bebilderung anhängt. Abgesehen von den Versuchen der "altmanesque"-Definition wird hier kein eigener Zugang zu Filmemacher und Werk formuliert.

Vom Fernsehen zum Kino

Dabei hätte es interessant sein können, anhand des Materials etwas genauer darauf einzugehen, dass der spätere Filmregisseur Altman sein Handwerk ab Ende der 1950er-Jahre bei Fernsehserien lernte. Und seine Art des Erzählens im Kino einiges von dem vorwegnahm, was heute wiederum beim Fernsehen Qualität definiert - etwa seine über eine große Zahl an Figuren ausgespannten, tragikomischen Milieupanoramen. Nicht von ungefähr folgte auf den Kinofilm M.A.S.H. die gleichnamige TV-Serie.

Kabelkanäle, die sich heute aufwändige Serien leisten, finanzierten dem nach Paris übersiedelten Altman in den späten 1980ern moderat budgetierte Filmprojekte. Für HBO realisierte er schließlich Tanner 88, "experimentelles Fernsehen", eine bis heute erhellende und unterhaltsame Spiegelung der (US-)Mediendemokratie. Aber Altman baut das lieber in die anekdotengetriebene Lebensnacherzählung ein. Einem bedeutenden Filmregisseur hätte man eine filmisch etwas bedeutendere Nachlese gewünscht. (Isabella Reicher, DER STANDARD, 4./5.4.2015)