PRO: Fixer Bestandteil des Systems

von Günther Oswald

Selbstbehalte sind böse, weil Kranke zusätzlich bestraft werden. So argumentieren Gegner der Kostenbeteiligung gerne. Was dabei übersehen wird: Es gibt in Österreich bereits zahlreiche Selbstbehalte.

Wer ein Rezept einlöst, muss eine Gebühr von 5,55 Euro berappen. Bei Heilbehelfen (zum Beispiel orthopädischen Schuheinlagen) beträgt der Selbstbehalt zehn Prozent, ebenso bei Brillen und Kontaktlinsen. Zahnspangen für Kinder sollen zwar künftig gratis sein, aber nur bei schwerwiegenden Fehlstellungen. Der Rest der Eltern muss weiterhin Länge mal Breite zahlen. Auch im Spital werden Kostenbeiträge verrechnet. Selbstverständlich in jedem Bundesland unterschiedlich, sonst wäre es ja nicht Österreich.

Die Frage, ob Selbstbehalte Teil des Gesundheitswesens sind, ist also längst mit Ja beantwortet - auch von der SPÖ, die nun reflexartig Nein schreit. Ihre Vertreter in den Krankenkassen sind offenbar sehr wohl der Meinung, dass ein teilweises Überwälzen der Kosten auf die Patienten dazu beitragen kann, nicht unnötig viele Gesundheitsleistungen in Anspruch zu nehmen. Die Diskussion sollte daher nicht aus ideologischen Gründen abgedreht, sondern weiter

gefasst werden. Alle Selbstbehalte sollten auf den Prüfstand, auf Effizienz und Sozialverträglichkeit untersucht werden.

Ein einfacheres und österreichweit einheitliches System, das chronisch Kranke berücksichtigt, wäre nötig. Dann spricht grundsätzlich nichts gegen Selbstbehalte.

KONTRA: Eine Frage des Geldes

von Marie-Theres Egyed

Österreich rühmt sich damit, das beste Gesundheitssystem der Welt zu haben. Das beste? Ein sehr gutes vielleicht, aber bestimmt nicht für alle. Denn der Zugang ist nicht für alle Menschen gleich. Die ÖVP hat im Entwurf ihres neuen Parteiprogramms vorgeschlagen, den Selbstbehalt bei Arztbesuchen auszuweiten und das Anreizmodell der SVA - Belohnung für gesunden Lebensstil - auf alle Versicherungen zu übertragen. Warum? Um das soziale Verantwortungsgefühl zu stärken.

Sozial ist das aber nicht. Denn wenn jeder Patient beim Arztbesuch Geld zahlen muss, wird der Arztbesuch zur Frage des Geldes. Und das ist der falsche Ansatz.

Das Anreizsystem der SVA ersetzt Präventionsarbeit nicht. Denn der bierbäuchige Kettenraucher wird seltener mit seinem Arzt Gesundheitsziele wie Bewegung und Alkoholverzicht vereinbaren als die sportliche Vegetarierin. Dabei sollte es bei Prävention genau darum gehen, Faktoren, die moderne Zivilisationskrankheiten beeinflussen, aufzuzeigen. Das geht aber nur dann, wenn diese Aufklärungsarbeit möglichst breit angelegt wird - und nicht, wenn ein Arztbesuch durch eine Zahlung erschwert, wenn nicht sogar bestraft wird.

Hier mit Eigenverantwortung zu argumentieren ist ein Abwälzen von Problemen. Dadurch wird suggeriert, jeder sei für seine Krankheiten verantwortlich. So weit darf es im angeblich besten Gesundheitssystem nicht kommen.

(Günther Oswald, Marie-Theres Egyed, DER STANDARD, 2.4.2015)