Bosniens neuer Ministerpräsident Denis Zvizdic.

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Man kann leicht erkennen, wer da hart verhandelt hat. Die kroatisch-nationalistische HDZ hat drei von neun Ministerposten bekommen, obwohl sie bei den Wahlen vergangenen Oktober landesweit nur 7,5 Prozent der Stimmen erhielt, während die multiethnische Demokratska Fronta (DF) mit 9,2 Prozent nur einen Minister stellt.

Bosnien-Herzegowina hat, kurz bevor ein politisches Desaster wegen des fehlenden Budgets ausgebrochen wäre, doch noch eine Regierung bekommen. Voraussetzung war ein Deal auf der Ebene des Landesteils Föderation. Geführt wird die Fünfparteienkoalition von Denis Zvizdic von der bosniakischen SDA, wobei in Bosnien-Herzegowina die Parteichefs viel mehr zu sagen haben als Regierungsmitglieder. Außenminister ist der Serbe Igor Crnadak.

Die serbischen Parteien, die in der Regierung sitzen, gelten als reformorientiert und nicht separatistisch - im Gegensatz zur Regierung in der Republika Srpska (RS), dem kleineren Landesteil. Die dort führende SNSD unter Milorad Dodik, der für die Sezession der RS kämpft, wurde auf Staatsebene ausgegrenzt, was übrigens auch den Vorstellungen Deutschlands entspricht, das die jetzige Koalition mitgeschmiedet hat.

Widerstand war also voraussehbar. SNDS-Politiker Stasa Kosarac bezeichnete die neue Regierung bereits als "illegal". Und Parteiführer Dodik demonstriert schon seit längerem, welche Werkzeuge er in Händen hält. Im Haus der Völker, der zweiten Kammer des Parlaments, hat er die drei Mitglieder seiner Partei abgezogen, sodass das notwendige Quorum nicht mehr zustande kommen kann und der Gesetzgebungsprozess blockiert ist. Die SNSD boykottiert bereits seit Jahresbeginn das Repräsentantenhaus.

Blockieren und verzögern

Im bosnischen Nachkriegssystem gibt es viele Vetomöglichkeiten. Deshalb ist "die hauptsächliche Art, wie Politik gemacht wird, dass man blockiert, verzögert oder Bedingungen stellt", wie der Analyst Srecko Latal sagt. Er erwartet auch aus anderen Gründen nicht viel von der neuen Amtsperiode.

Denn auch innerhalb der Koalition ist mit starken Spannungen zu rechnen, etwa beim zentralen Projekt, einen Koordinationsmechanismus für die Umsetzung des EU-Abkommens auszuverhandeln. Ohne diesen Koordinationsmechanismus kann die EU mit Bosnien-Herzegowina mit seinen vielen politischen und administrativen Ebenen überhaupt nicht zusammenarbeiten und keine Projekte umsetzen. Während aber etwa die bosniakische SDA eine zentralistische Organisation will, besteht die kroatische HDZ darauf, dass die Kantone direkt mitverhandeln können. Denn die HDZ ist nur in einigen Kantonen stark. Sie kann auch durch den Aufwind für die Schwesterpartei in Kroatien hoch pokern. Seit Jahren fordert sie zudem einen dritten und eigenen Landesteil für die Kroaten in Bosnien-Herzegowina.

Die EU, die im Gegenzug zur Umsetzung des Stabilisierungsabkommens Arbeitsmarkt- und Wirtschaftsreformen einfordert, könnte künftig Blockierer der Initiativen und Reformen klar beim Namen nennen, um Druck zu machen. "Blaming und Shaming" nennt man diese Strategie. "Sie müsste sich viel mehr einmischen und neue finanzielle Werkzeuge auf den Tisch legen", meint Latal.

Neuer EU-Sondergesandter

Gespannt ist man in Sarajevo darauf, ob der neue EU-Sondergesandte Lars-Gunnar Wigemark Zähne zeigen wird. Für die EU, die bisher mit ihrer Strategie vor Ort scheiterte, steht einiges auf dem Spiel. Das Büro des Hohen Repräsentanten der Internationalen Gemeinschaft - der Österreicher Valentin Inzko - hat realpolitisch schon lang an Einfluss verloren. (Adelheid Wölfl aus Sarajevo, DER STANDARD, 2.4.2015)